Die Dachwurz, Sempervivum tectorum, ist eine sehr alte Kulturpflanze, die schon in den Pflanzen- und Kräuterbüchern auftaucht, die gegen Ende des Mittelalters verfasst wurden. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet beginnt im Süden Deutschlands und zieht sich in einem breiten Gürtel bis hinunter nach Kleinasien, wo die Dachwurz ursprünglich Berge besiedelte, sämtliche Gebirge Europas bis auf den Norden und Osten. Nachfolgend erfahren Sie einiges über die interessanten Pflanzen, zur Pflege und zum Überwintern der Donnerwurz.
Dachwurz, Donnerwurz – Pflanzen und Standorte
Donnerwurze fanden sich in den höchsten Regionen der Pyrenäen, auf dem französischen Zentralmassiv, in den Alpen bis an den südöstlichen Rand und in den südlichen Apenninen.
Von überall dort haben Menschen die hübsche Pflanze schon seit langer Zeit eingesammelt, sie wuchs willig auch in flacheren Regionen und verwilderte dort, heute gibt es wilde Donnerwurze überall, in jeder Höhenlage, von Skandinavien bis Irland, im gesamten restlichen Europa, über den Kaukasus bis in den Iran.
Diese Ausbreitung in die Niederungen passierte jedoch nur deshalb, weil viele Menschen die Rosetten-Gewächse höchst attraktiv fanden und ihre Wohnstätten damit verzierten, deshalb wird die Dachwurz im deutschen Sprachraum auch häufig Hauswurz oder Dach-Hauswurz genannt (neben rund zwei Dutzend anderen schmeichelhaften oder lustigen Namen, dazu unten).
Die „Echte Dach-Hauswurz“ oder „Gewöhnliche Hauswurz“ ist die bekannteste und am weiten verbreitetste Hauswurz (mehr zu vielen anderen Hauswurzen unten), sie wächst mehrjährig und immergrün mit rosettenförmigen Blättern, die pro Rosette zwischen fünf und zwanzig Zentimeter Durchmesser erreichen und nur wenige Zentimeter hoch werden.
Die Dachwurz kann überall hingepflanzt werden, wo ein wenig Pflanzenschmuck gebraucht wird, wenn der Standort nur hell genug ist und deutliche Unterschiede in den Jahreszeiten bietet. Donnerwurze können also an vielen Stellen im Garten gepflanzt werden, auch auf Balkon oder Terrasse, in der jeweils passenden Umgebung.
Die Dachwurze haben nicht umsonst das Dach als bevorzugten Ansiedlungsort gewählt, sie sind echte Frischluft-Fanatiker, die nur sehr schlecht das ganze Jahr im Zimmer gehalten werden können. Wenn Sie es versuchen möchten, müssten Sie im Sommer wirklich häufig das Fenster öffnen, im Winter werden die Dachwurze nur an einem kühlen Platz überdauern, an dem die Temperaturen nicht über 10 Grad steigen.
Außerdem brauchen Dachwurze viel Licht, in Garten, Balkon und Terrasse einen sonnigen Standort – im Zimmer auch, dort könnte ihnen der Standort hinter einer die Lichtintensität verringernden Fensterscheibe aber schon zu dunkel sein, das macht sich dann durch Verblassen der Blattfarben bemerkbar.
Andersherum lohnt es sich, im Freien wirklich die sonnigsten Ecken auszuwählen, je mehr Sonne eine Dachwurz bekommt, desto prächtiger werden sich die Blattfarben entwickeln. Vier Stunden Sonne sind in unseren Breiten das Minimum, damit die Rosettenfarbe einigermaßen attraktiv wird, weniger bedeutet Lichtmangel und blasse Pflanzen, die auch aus der Form geraten können.
Die Pflege der Dachwurz
Nicht nur Sonne ist die Dachwurz aus den Bergen gewöhnt, sondern auch einen eher nährstoffarmen Boden, auf dem jeder Niederschlag schnell abfließt. Eine solche Umgebung bekommt der Dachwurz natürlich auch im Garten gut, das Umfeld im Steingarten, in einem Trockenbeet oder auf einer Mauer, in der Mauerspalte mit wenig Erde, wird ihr also auf jeden Fall zusagen.
Wenn die Dachwurz ins Beet mit einem eigentlich gut humushaltigem Substrat gepflanzt werden soll, sollten Sie den Boden vorher auflockern und etwas Vogelsand, Kies oder Bimsstein untermischen, das wäre auch die richtige Erde für eine Kultur in Kübeln oder Töpfen (oder in allen möglichen anderen phantasievollen Gefäßen, die gerne ziemlich flach sein können), Erde, Sand und Kies zu gleichen Teilen.
Mit einer solchen Erde ist auch gleich die zweite Minimalforderung der bescheidenen Pflanze erfüllt: Sie möchte niemals nasse Füße bekommen, im Gebirge fließt Wasser nun einmal immer schnell ab, deshalb braucht jedes mit Donnerwurz bepflanztes Gefäß unbedingt ein Abzugsloch.
Ansonsten ist die Dachwurz wirklich genügsam und ein echter Überlebenskünstler, der weder durch einen kalten, nassen Winter noch durch einen tropisch heißen Sommer ernsthaft zu schocken ist.
Düngen brauchen Sie eine Donnerwurz nicht, zu viele Nährstoffe würden die Pflanze eher irritieren, sie könnte ihre schöne Farbe verlieren oder zu faulen beginnen.
Wenn einzelne Rosetten im Horst schwächeln, ist das kein Alarmzeichen, sondern völlig normal, nach der Blüte sterben die verblühten Rosetten.
Dachwurz, Donnerwurz überwintern
Die Dachwurz überwintert genau dort, wo sie gerade wächst, und sie wird mit frostigen Temperaturen keinerlei Probleme haben – wer hoch in den Alpen wächst, kann Kälte wirklich ab.
Eher könnte der umgekehrte Fall zum verfrühten Ableben einer Donnerwurz führen: Wenn Sie die Dachwurz im Zimmer kultivieren und ihr hier Temperaturen zumuten, bei denen Sie sich wohlfühlen. Stellen Sie sie raus, mehr als 10 Grad möchte eine Dachwurz im Winter nicht haben, und zu dunkel ist es ihr auch im Zimmer.
Für Zimmerhaltung geeignete Dickblattgewächse, die im Aussehen einer Dachwurz sehr ähneln, sind bestimmte Sorten von Echeverien (z. B. Echeveria agavoides) und Graptopetalum (z. B. Graptopetalum bellum), der Donnerwurz sollten Sie lieber die Freiheit gönnen.
Die Vermehrung der Donnerwurz
Aus einer mach‘ viele, für eine Hauswurz überhaupt kein Problem, sie bildet nämlich laufend neue Tochterrosetten aus. Diese können Sie im Frühjahr vorsichtig abtrennen und separat in Erde oder Topf setzen.
Sie könnten auch Dachwurzen aus Samen ziehen, eine häufig von Liebhabern zur Heranzucht seltener Sorten praktizierte Möglichkeit, wenn Sie jedoch die Wahl haben, sollten Sie auf das Gefummel mit den mikroskopisch kleinen und feinen Samen verzichten. Wenn es sein muss: Der staubfeine Sempervivum-Samen darf nicht mit Erde bedeckt werden, er muss aber leicht auf der Anzuchterde angedrückt werden, am besten geht das mit einem vollkommenem trockenen und glatten Stück Pergamentpapier. Die Erdoberfläche in den Anzuchttöpfen darf nie austrocknen, Sie dürfen aber Wasser nur aufsprühen, einem „Wasserfall“ aus der Gießkanne würden die Keimlinge nicht standhalten.
Wenn das Umfeld es ermöglicht, wird die Donnerwurz sich auch selbsttätig ausbreiten, durch Ausläufer, an deren Spitzen sich neue Rosetten bilden, und durch Samen, mit Hilfe des Windes.
Krankheiten und Schädlinge
Krankheiten und Schädlinge brauchen Sie bei den Dachwurzen nicht befürchten, alle Hauswurzen sind außerordentlich robust und werden weder krank noch durch Schädlinge so sehr geschädigt, dass Handlungsbedarf besteht.
Wenn sich bei Ihrer Donnerwurz doch Anzeichen für Schädlinge oder Krankheiten zeigen, stimmt irgendetwas an Haltung und Ernährung ganz grundlegend nicht. Dann muss das verändert werden, sonst würde die Dachwurz immer wieder erkranken.
Dachwurz – viele Namen, viele Formen, viele Arten
Die Hauswurz heißt botanisch Sempervivum, von „semper“ gleich „immer“ und „vivus“ gleich „lebend“, und die Beliebtheit zeigt, dass nicht nur Pflanzen-Anfänger „immerlebende“ Pflanzen schätzen. Das „Wurz“ steht für „Wurzel“, „Pflanze“, das „tectorum“ bei der bekanntesten Art Dachwurz für Dach, diese Dachwurz hat sich als Heilpflanze und Zierpflanze so beliebt gemacht, dass sie in vielen europäischen Sprachen zahlreiche Spitznamen zugedacht bekam, im deutschen Sprachraum die meisten: Bart des Jupiter und Dachkraut, Dachlauch und Dachwurz, Dachzwiebel und Donarsbart, Donnerbart und Donnerkopf, Donnerkraut und Donnerwurz, Dunnerknöpf und Gewitterkraut, Gottesbart und Grindkopf, Hausampfer und Hauslaub, Hauswurz und Mauerkraut, Ohrpeinkraut und Steinrose, Warzenkraut und Zidriwurzn – alles Namen für genau das gleiche kleine Pflänzchen.
Die Sempervivum tectorum ist als häufigste Hauswurz auch der Liebling der Hauswurz-Züchter, von ihr (und ihren nahen Verwandten) wurden inzwischen rund 7000 Sorten gezüchtet, unter denen Gärtner auswählen können, mit immer leicht andersfarbigen dekorativen Blüten oder ein wenig abweichenden, ausgesprochen interessanten Rosettenformen. Die Zucht geht von zwei Naturformen aus:
- Sempervivum tectorum var. tectorum mit höchstens am Rand behaarten Blättern und glatten Blattflächen, die gelegentlich vereinzelte kurze Haare aufweisen können.
- Sempervivum tectorum var. arvernense mit einer über das ganze Blatt gehenden, flaumigen Behaarung.
Die Dachwurz ist aber bei Weitem nicht die einzige Hauswurz-Art, es gibt vielmehr eine stattliche Anzahl von Hauswurzen, zwischen 40 und 200 Arten werden von verschiedenen Autoren beschrieben. Zwischen 40 und 200 deshalb, weil die Gattung Sempervivum eine der jüngsten Gattungen in der Familie der Dickblattgewächse ist, von der vermutet wird, dass sie sich noch nicht in einer stabilen Phase ihrer Evolution befindet, die Hauswurzen „mutieren also fröhlich und kräftig vor sich hin“.
Außerdem sind auch noch alle Mitglieder der Gattung eng verwandt, und sie können natürliche Hybriden bilden, die sich dann auch noch häufig rückkreuzen und erneut kreuzen – das ergibt rein faktisch eine ziemlich unendliche Zahl von Arten bzw. Sorten, die oft eigentlich nicht mehr richtig abzugrenzen sind.
Dem Dachwurz- und Hauswurz-Liebhaber ist die genaue botanische Zuordnung seines Sempervivums immer dann wichtig, wenn er in die Zucht einsteigen will. Dann wählt er vielleicht zunächst unter den rund 75 Naturformen von Sempervivum alidae bis S. zeleborii. Innerhalb der Art kann und muss er dann wieder auswählen, bei S. tectorum z. B. unter rund 120 jeweils unterschiedlich aussehenden Naturformen, vielleicht eine leicht ornamental anmutende Dachwurz mit rötlichen Blättern vom spanischen Sant-Maurici-See, oder einen fast geometrisch ordentlich wachsende, hellgrüne S. tectorum aus Ajdovski Gradec, einem für seine archäologischen Funde bekannten Hügel in Slowenien.
Wenn er lieber seine visuelle Phantasie anregen möchte, nimmt er sich einen Katalog mit Kultivaren vor und sieht sich rund 350 Seiten mit je 20 Bildern von Semperviven (Semperviva) an, die alle Töne zwischen grün und grau, violett und weinrot, braun und rosa aufweisen und alle Rosettenformen, die ein kreativer Künstler erdenken könnte.
Die meisten dieser Hauswurze mögen wie die S. tectorum eher trockene, schön warme und gerne steinige Standorte, unter den vielen Arten gibt es aber auch Hauswurze, die humose Böden tolerieren und sogar solche, die Sie in einem feuchten Boden ansiedeln können.
Die Dachwurz hat eine Menge Fans
Weil die Semperviva durch ihre ungezügelte Vielfalt wirklich faszinieren können, gibt es eine große Gemeinde von „Semps“-Freunden, die züchten und sammeln und fotografieren und tauschen.
Die bekannteste Semps-Gemeinschaft ist die Fachgruppe „Sempervivum/Jovibarba“ aus der „Gesellschaft der Staudenfreunde“, zu erreichen über www.gds-staudenfreunde.de.
Diese Liebhabervereinigung scheint momentan die einzige auf weiter Flur zu sein, zwar haben sich gegen Ende des letzten Jahrhunderts auch in Belgien (Sempervivum Werksgroep), in Großbritannien (Sempervivum-Society) und in den USA (Sempervivum Fanciers Association) Dachwurz- und Hauswurz-Liebhaber organisiert, diese Vereinigungen sind jedoch sämtlich wieder eingegangen, der Posten des weltweiten „Sempervivum-Großmeisters“ wäre also vakant.
Fazit