Samen sind die Kerne von Früchten, vor jedem Kuchen oder Schnitzelgenuss liegt der Kampf des Aussortierens von Zitronenkernen – Zitronensamen dürften also im durchschnittlichen bundesdeutschen Haushalt genug anfallen. Aus diesen Zitronensamen wird in aller Regel auch ein Zitronenbaum hervorgehen, wenn Sie die gleich folgende Anzuchtanleitung befolgen. Es heißt aber noch nicht unbedingt, dass dieser Kern/Samen dann auch einen Zitronenbaum hervorbringt, der in der Lage ist, Früchte hervorzubringen. Sie erfahren, warum das so ist, und warum es nichts ausmacht.
So kommen Sie zu fruchtbaren Samen
Zitrusgewächse haben eine interessante Angewohnheit, nämlich Fortpflanzung ohne Sex. Sie können Samen (pflanzliche Embryos im Ruhestadium) nicht nur durch Befruchtung bilden, sondern auch in dem Gewebe der Mutterpflanze, das normalerweise der Ernährung der Samen dient. Aus diesen Samen entsteht dann zwar ein Zitronenbaum, aber einer mit samenlosen Früchten. Einige Arten der Gattung Citrus können sich nur so fortpflanzen, weil sie teilweise pollensteril sind oder ihre Narbe unfruchtbar ist, andere fahren eine Doppelstrategie, Fortpflanzung mit und ohne Bestäubung.
Zitronenbäume, von denen Zitronen für den Handel geerntet werden, entstehen durch Zucht- und/oder Veredelungsverfahren, die nicht unbedingt Rücksicht auf die Fruchtbarkeit der Zitronenpflanze nehmen. Die kann dabei schon einmal untergehen, einem zitronigeren Geschmack, einer besser zu entfernenden oder gelberen Schale geopfert. Neue Zitronen werden bei diesen Zuchtsorten nur noch durch Veredelung produziert, indem die Zuchtsorte auf eine Unterlage aufgepfropft wird.
Einen Samen, der sicher fruchtbare Pflanzen hervorbringt, müssten Sie also bei einem Händler kaufen, der genau das garantiert.
Wenn Sie Zitronen mit fruchtbaren Samen gefunden haben oder Ihre im Internet bestellten Zitronensamen angekommen sind, kann es losgehen mit der Anzucht Ihres Zitronenbaumes (der allerdings dann nicht unbedingt die Zitrone tragen wird, aus der die Samen kamen und auch nicht unbedingt der Mutterpflanze gleichen wird, die Sortenzucht von Zitronen ist ziemlich kompliziert). Aber das ist ein eigenes Thema, wenn Ihr Zitronenbaum einmal eigene Früchte trägt, wird Ihnen sicher jede Sorte schmecken. Wenn, denn:
Der Zitronenbaum braucht Geduld
Abgesehen von der Frage, welche Sorte Zitrusfrucht bei diesem Experiment herauskommen könnte, vorab noch eine kleine Warnung:
Wenn sie deshalb einen Zitronenbaum ziehen möchten, weil Sie selbst ernten möchten, brauchen Sie auch bei vorbildlich gelungener Anzucht Geduld, viel Geduld: Es wird mindestens ein Jahrzehnt brauchen, bis Ihr Sämling die ersten Blüten und damit die ersten Früchte ansetzt, vielleicht auch noch ein halbes Jahrzehnt länger. Diese bedauerliche Tatsache wird hier nicht vorangestellt, um Sie von der Zitronenaufzucht abzuhalten, ganz im Gegenteil. Aber Sie sollten es halt wissen, um sich frei entscheiden zu können.
Häufig wird empfohlen, in diesem Fall besser eine fertige Pflanze zu kaufen, die gibt es sogar gleich mit Früchten dran. Das ist für Ungeduldige eigentlich die bessere Idee, aber: Wenn es Ihnen bei Ihren eigenen Pflanzen immer auch darum geht, wirklich Bioware zu ernten, müssten Sie dann auch eine in nachgewiesenem Bio-Anbau gezogene Zitronenpflanze kaufen. Ansonsten lohnt eben doch die eigene Anzucht, bei der Sie zwar ziemlich lange warten müssen, aber wenigstens sicher sein können, dass in Erde und Pflanzen nur das drin ist, was Sie selbst zugegeben haben.
Bei den behandelten Zitronenpflanzen („zum Verzehr nicht geeignet“) braucht man doch nur ein paar Wochen warten, bis die Pflanzenschutzmittel rausgewachsen sind? Manchmal ja, das „zum Verzehr nicht geeignet“ muss beim Pflanzenverkauf immer dranstehen, sonst müssten die Verkäufer sämtliche für Lebensmittel geltenden Hygienegesetze beachten; manchmal nein, wenn die Pflanzen aus Ländern importiert wurden, in denen Pflanzenschutzmittel mit unbekannter Abbauzeit eingesetzt werden – wenn Sie ganz sicher gehen wollen, kein Pflanzenschutzmittel in der Zitrone zu haben, müssen Sie den Verkäufer gut kennen oder selbst an die Aufzucht gehen.
Für Geduldige, aber nicht 10 bis 15 Jahre Geduldige gibt es übrigens andere Citrus, die schneller fruchten, die Haltung bei uns besser wegstecken und kulinarisch eigentlich auch interessanter sind: Calamondin, Kumquat, Kucle (Kreuzung aus Kumquat und Clementine), Limequat (Kreuzung aus Kumquat und Limette) bieten sich z. B. als pflegeleichte Citrusgewächse für Anfänger an, die auch bei einiger Anzucht relativ schnell blühen und Früchte tragen. Falls Sie jetzt zu diesen Zitruspflanzen umschwenken möchten, die etwas schneller am Start sind: Den Artikel lesen lohnt sich trotzdem, die Samenpflege und Aufzucht der Keimlinge gestaltet sich bei allen Zitrusgewächsen ähnlich:
Die Vorbereitung der Samen
Häufig können Sie lesen, dass Zitronenkerne im Haus jederzeit ausgesät werden dürfen. Das ist theoretisch richtig, praktisch sollten Sie einer jungen Zitronenpflanze gerade in unseren (für sie wirklich lichtarmen) Breiten Frühlingssonne gönnen. Also: Mit der Aussaat am besten im Frühling starten, so bekommt die Jungpflanze alle deutsche Sonne und Wärme ab, die wir bieten können.
Wenn Sie Samen von Zitronen vor sich haben, können die durchaus ganz nachlässig mit in den nächsten Blumentopf gesteckt und vergessen werden. So haben es schon viele Hobby-Zitronenzüchter gemacht, mit guten Ergebnissen, sie sind sogar der Meinung, dass das eher funktioniert als ängstliche Aussaat mit ständigem Beobachten …
… aber eine vorschriftsmäßige Aussaat-Anleitung ist das natürlich nicht, und die sollen Sie natürlich bekommen, und zwar die Anleitung, die den meisten Erfolg zu bringen scheint:
- Aus frischen Zitronen Samen herauspulen und so reinigen, dass alles Fruchtfleisch weg ist
- Getrocknete und frische Samen anschließend in lauwarmem Wasser einweichen
- So lange, bis der Samen auf den Boden sinkt und/oder die Samenhülle wie transparent aussieht
- Je nachdem, wie trocken der Samen war, dauert das 8 bis 24 Stunden
- Nun sollte die äußere Haut des Samen ziemlich weich sein und kann vorsichtig entfernt werden
- Jetzt werden die Kerne auf feuchtes Küchenpapier gelegt (mehrfach gefaltet nass gemacht und ausgedrückt)
- Küchenpapier mit Kernen wird in Plastikbeutel mit Druckverschluss gegeben, der wird verschlossen
- Das Ganze kommt auf eine mäßig warme Heizung und darf bei hoher Luftfeuchtigkeit vor sich hin keimen
- Die Temperatur sollte irgendwo zwischen 22 und 25 °C liegen, bei dieser Wärme keimen Zitronenbäume am liebsten
- Licht brauchen die Dunkelkeimer zum Keimen selbst nicht, erst die nach den Keimblättern entwickelten Primärblätter sind photosynthetisch aktiv
- Das soll eine gute Überredung (Anregung) zum Keimen sein, die nach einer Woche bis 10 Tage Erfolg zeigt
- Wenn die Keimlinge (schon ziemlich kräftige) Wurzeln entwickelt haben, können sie in kleine Töpfe mit Anzuchterde gesetzt werden
Sie haben von Stratifikation der Samen gelesen? Bei gekauften Samen erledigt das im Zweifel der Händler, bei Zitronen aus dem Supermarkt hängt ein Schild mit dem Herkunftsland am Netz. In der Regel ist es dort so warm, dass die Samen keinen Kältereiz zum Keimen gewohnt sind oder brauchen. Die Frage nach einer Stratifikation von Zitronensamen stellt sich nur bei besonderen Zuchtsorten wie der frostharten „Poncirus trifoliata“, die eine der wichtigsten Veredelungsunterlagen ist und auch in Teilen der Welt kultiviert wird, in denen es richtig kalt wird.
Übrigens: Wenn aus einem Samen Zwillinge oder Drillinge keimen, ist das kein „kleines Wunder“ (oder doch, ist ein Keimling ja immer), sondern ein Zeichen dafür, dass hier sexuelle und asexuelle Fortpflanzung parallel stattfinden – bei der Gattung Citrus kommt es häufig zu mehreren Embryonen pro Samen.
Die Anzuchterde
Zitronen werden an vielen Orten der Welt gezogen, in Italien und Spanien, Amerika, Asien und Afrika, sie kennen also die Böden vieler Teile der Welt. Aber nicht in Deutschland, die Mikroorganismen in unserer Erde kennen die Keimlinge deshalb nicht, und die „anstrengende“ Keimung ist nicht die richtige Zeit, um sie an diese Mikroorganismen zu gewöhnen.
Deshalb werden Zitronensamen die erste Zeit in einem sterilen Anzuchtsubstrat gezogen, das Sie aus folgenden Zutaten herstellen können:
- Kokos-Erde, sie ist ungedüngt, durch hohen Lignin-Anteil schimmelhemmend und thermisch sterilisiert
- Fertig gemischte Anzuchterde aus dem Handel (Vorsicht, oft unverhältnismäßig teuer, oft noch nicht torffrei, oft vorgedüngt)
- Normale Gartenerde (muss unbedingt sterilisiert werden)
- Sand, sog. Mittelsand mit Körnung 0,2 und 0,63 mm
- Sieht etwa aus wie Grieß, gibt es am günstigsten im Baustoffhandel, dann aber ansagen, dass der Sand für Pflanzen gedacht ist
- Anzuchtgranulate und -minerale wie Perlit und Bentonit
- Mischungen aus all diesen Substraten
Immer wenn Gartenerde, draußen gelagerter Sand oder gekaufte, aber schon länger gelagerte Substrate verwendet werden, sollten Sie sicherheitshalber sterilisieren. Dadurch werden Krankheitskeime, Schädlinge, zu viele (Zitronen unbekannte) Mikroorganismen und fremde Samen abgetötet. Zur Sterilisation gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Kokos-Erde wird häufig gepresst verkauft und muss vor Gebrauch aufquellen
- Wenn Sie bereits länger gelagerte Kokos-Erde mit kochendem Wasser übergießen, sollte das reichen
- Sie können die Erdmischung in der Mikrowelle erhitzen
- Oder Sie stecken sie in den Backofen, ein voller großer Bräter 45 min bei 180 °C (keine Angst, außen wird der am wirkungsvollsten entkeimt)
Wenn das Substrat bereit ist, wird es gut durchfeuchtet, dann können die Keimlinge eingepflanzt werden, sehr vorsichtig. Denn die feinen Wurzeln sind es, von denen die Zitrone nun leben wird; im Wurzelsystem der Citrus eine Pfahlwurzel, zur Seite gehende dickere Haltewurzeln und dünne, büschelartige Faserwurzeln für die Versorgung.
Aufzucht des Keimlings
Für die Anzuchttöpfe mit den Keimlingen sind sonnenbeschienene oder beheizte, eben warme Fensterbänke oder Kleingewächshäuser (auf der Heizung, mit Bodenheizung) der beste Standort.
Und hell sollten die Jung-Zitronen jetzt stehen, ansonsten brauchen Sie nur noch die Erde gleichmäßig befeuchten und warten, bis es draußen warm genug ist. Denn schon die junge Zitrone darf ins Freie, sobald draußen freundliche Temperaturen herrschen. Wie freundlich, kann nicht genau festgelegt werden, es hängt vom Mikroklima bei Ihnen ab, davon, wie Ihre Zitrone üblicherweise gezogen wird usw.
Bei Jung-Zitronen sollten Sie am besten jeden Schock beim Umstellen vermeiden, sie kommen also ins Freie, wenn es dort genauso warm ist wie drinnen. Dort am besten an einen festen Standort, umstellen stresst auch wieder.
Wenn die Jung-Zitrone das erste halbe Dutzend Blattpaare zeigt, könnten Sie sie vereinzeln. Das müssen Sie aber nicht tun, die kleinen Zitronenpflanzen sollen sich sogar in Gesellschaft wohler fühlen, sie können ruhig ihr erstes Jahr zusammen in einem Topf verbringen.
Wenn Sie bei kräftigen Jungpflanzen die Spitzen kappen, fördern Sie die Verzweigung, von alleine verzweigen sich die kleinen Pflanzen meist erst im zweiten Jahr. Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen, nach der individuell gewünschten Wuchsform der Zitrone.
Um dem Baum eine schöne Form zu geben, können Sie auch in der Folgezeit gelegentlich und vorsichtig mit der Schere Hand anlegen, einen jährlichen Beschnitt braucht eine Zitrone aber nicht.
Düngen
Junge Zitronen werden vorsichtig an Dünger gewöhnt, wann Sie damit anfangen, hängt davon ab, wie viele Nährstoffe sich im Erstsubstrat befinden (die beim Sterilisieren nicht verloren gehen). In der ersten Saison einmal im Monat etwas schwachen Dünger ist ein Richtmaß.
Sie brauchen keinen speziellen Zitrusdünger, Zitronenbäume leben wie alle Pflanzen von Stickstoff, Phosphor und Kalium. Eigene Ansprüche haben sie nur an das Verhältnis dieser Stoffe, ein Teil Stickstoff (N), ein halbes bis ein Drittel Teil Phosphor (P) und (fast) ein Teil Kalium (K), ein paar Spurennährstoffe dürfen auch dabei sein.
Während der Saison brauchen Zitronenbäume alle zwei Wochen Dünger, bei Wasser mit Gesamthärte unter 10° dH (also recht weich) auch ab und zu ein wenig Kalk, gerne mit Magnesium. Die meisten Veredelungsunterlagen wachsen bei pH-Werten um 7 am besten, ab 6 kann aufgekalkt werden.
Wenn die Zitronen umgetopft werden müssen, können Sie die Nährstoffe gleich in die Erde mischen: Eine Hälfte reifen Kompost, ein Viertel mittelgroben weißen Sand und ein Viertel Perlit, Kokos und Co. ernährt die Zitrone eine Weile, ergänzt werden können sie nach ein, zwei Monaten mit organischem Dünger wie Hornspäne oder Guano, der von der Pflanze nach Wunsch abgerufen werden kann.
Lassen Sie sich nicht durch die vielen kursierenden Gerüchte zu Zitruspflanzen-Düngern irritieren – Zitruspflanzen brauchen nicht automatisch Eisen, sondern nur, wenn es ihnen fehlt (fast nie der Fall), und die meisten Unterlagen wachsen besser auf kalkhaltigen als auf sauren Böden.
Fazit: Zitronensamen lassen sich einfach aus der nächsten Supermarkt-Zitrone pulen, deren Keimung und Aufzucht ist meist erfolgreich. Ein preiswerter Spaß, der sich gut eignet, erste Erfahrungen mit den schönen Zitronenpflanzen zu sammeln. Aber Vorsicht: Die schönen Zitronenpflanzen sollen süchtig machen, und es gibt viel spannendere Zitronensorten für den deutschen Gärtner, von den oben erwähnten schnellfruchtenden Kleinbäumen bis hin zur bekannten Veredelungsunterlage Poncirus trifoliata, die auch als eigenständige Pflanze gezogen und in den Garten ausgepflanzt werden kann.