Interessante Frage, soweit gehen die meisten noch mit. Unmittelbar anschließend formulieren auch anderweitig gut beschäftigte Gehirne bereits die Frage, warum in Himmels Namen sie dass wissen müssen? Zum Beispiel, weil es immer gut ist, ein bisschen was über den Stoffe zu wissen, der „Maschine Mensch“ am Laufen hält; sicher ist es auch interessant zu erfahren, wie die Begriffe Obst und Gemüse offiziell definiert werden. Denn diese Definition von Obst und Gemüse entscheidet, was der Handel an Obst und Gemüse anbietet, im nachfolgenden Artikel werden Sie erfahren, dass sich dieser Handelsbegriff kräftig von dem unterscheidet, was Sie umgangssprachlich unter Obst und Gemüse verstehen, dass wir alle viel zu wenig Obst und Gemüse zu uns nehmen und warum es so gut ist, Obst und Gemüse im Garten anzubauen.
Obst
Was Obst ist, ist nicht nicht klar definiert. Der Begriff „Obst“ fasst als sogenanntes Kollektivum eine unbestimmte Anzahl gleichartiger Dinge in einer Klasse zusammen.
Die Dinge sind Früchte, laut Wikipedia „für den Menschen roh genießbare meist wasserhaltige Früchte oder Teile davon, die von Bäumen, Sträuchern und mehrjährigen Stauden stammen“. Laut Duden „essbare, meist saftige Früchte bestimmter Bäume und Sträucher“, gleich mit der Anmerkung, dass die Redensart „Danke für Obst und Südfrüchte“ umgangssprachlich bedeute: „davon will ich nichts wissen“.
Wissen wollen die Deutschen scheinbar doch recht viel von Obst, in der letzten Nationalen Verzehrsstudie lag der Durchschnittsverzehr pro Tag bei 278 g (Frauen) bzw. 230 g (Männer).
Gemüse
„Gemüse“ ist genauso wenig klar definiert, auch ein Sammelbegriff. Laut Wikipedia „Essbare Pflanzenteile wild wachsender oder in Kultur genommener Pflanzen, meist Blätter, Früchte, Knollen, Stängel oder Wurzeln von ein- oder zweijährigen krautigen Pflanzen, die roh, gekocht oder konserviert genossen werden“. Laut Duden „Pflanzen, deren verschiedene Teile in rohem oder gekochtem Zustand gegessen werden“.
Die „deutsche Gemüse-Statistik“ sieht nach dem ersten Blick in die Verzehrsstudie auch nicht so schlecht aus: Frauen sollen 243 g pro Tag und Männer 222 g pro Tag essen. Aber nur auf den ersten Blick. Hier sind nämlich auch alle „Gerichte auf Basis von Gemüse“ dabei, also z. B. Salate mit mehr (fettem und zuckrigem) Dressing als Gemüse, überbackene Gemüsepfannen und Gemüsegerichte mit Soßen. „Einfach nur Gemüse“ schaffen Frauen gerade einmal 129 g pro Tag, Männer nur 112 g.
Umgangssprachliches Obst und Gemüse
Obst ist für die meisten Menschen süß und saftig und roh zu essen.
Gemüse kann man manchmal roh essen, meist wird es gekocht und als Beilage zu einer Hauptzutat (Fleisch) gegessen, mit Tendenz, unter der eigentlich wichtigen Beilage (Kartoffeln, Nudeln, Reis) annähernd zu verschwinden.
Mit Durchschnittsverzehr 200 bis 300 g und der Assoziation „Süß“ scheint Obst eher auf der leckeren Seite zu stehen. Obstreich und Backobst, Obstler und Obsttag, Obstsekt und Obstwein, Obstgeist und Obstkorb, Obstsaft, Obstbrand, Obstkur, Tafelobst, Winterobst, Obstmesser, Obstwasser (das vierte Wort für Schnaps aus Obst), Obsttorte, Obstkuchen, Obstessig, Obstschaumwein, Obstsalat, Obstteller, Obstschnitte, alles auf den ersten Seiten.
Beim Gemüse ist es anders, hier tauchen schon vorne in der Liste weniger schmeichelhafte bzw. einer gesunden Ernährung zuträgliche Begriffe auf: Vegetabilien, überbacken (mit ganz fettem Käse), Grünzeug, Gemüsebeilage, Savoyerkohl, durchgaren (eben die traurige Gemüsebeilage), Buschen (Zweigbündel), Stielmus (siehe Savoyerkohl), insgesamt Grünkram eben.
Der Unterschied zwischen Obst und Gemüse
Aber nicht nur unsere Ess-Sprach-Gewohnheiten, sondern auch alle bisher genannten Erklärungen geben einiges für die Unterscheidung Obst/Gemüse her:
- Obst: Früchte <=> Gemüse: Blätter, Früchte, Knollen, Stängel, Wurzeln
- Obst: Von Bäumen, Sträuchern, mehrjährigen Stauden <=> Gemüse: von ein- oder zweijährigen krautigen Pflanzen
- Obst: roh genießbar <=> Gemüse: roh, gekocht oder konserviert genießbar
- Obst: süß und saftig <=> Gemüse: herzhaft oder pikant (umgangssprachlich wichtig, in Definitionen taucht dieser Unterschied später auf)
Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen und Wirtschaft haben noch viel mehr zum Unterschied zwischen Obst und Gemüse zu sagen:
- Obst: Zuckergehalt höher als Gemüse (Ernährungswissenschaften)
- Obst: Entsteht aus der befruchteten Blüte, Gemüse aus anderen Pflanzenteilen (Botanik)
- Gartenbau/Handel gliedern Obst nicht botanisch, sondern in Kern-, Stein-, Beeren- und Schalenobst, klassische Südfrüchte + andere Exoten – und in wie Obst verwendetes Gemüse
- Hier gibt es auch Nutzungssorten wie Lagerobst, das nachreift und Kochobst, das erst durch Erwärmung Geschmack entwickelt
Damit ist der Unterschied zwischen Obst und Gemüse alles andere als klar. Bei einigen dieser Aussagen überschneiden sich beide Gruppen:
Gemüse wie Gurken, Kürbisse, Paprika, Tomaten und Zucchini sind Früchte und damit botanisch Obst, werden aber als Gemüse geführt, weil einjährige Pflanzen nicht sehr süße Ergebnisse tragen.
Rhabarber wird gewöhnlich als Obst geführt, ist aber als Blattstiel ein Gemüse.
Beim Erdbeergenuss essen wir Scheinfrüchte, und zwar nusstragende. Die eigentliche Frucht der Erdbeere besteht aus den winzigen gelben Teilchen (Nüssen) auf der Erdbeere.
Überhaupt, die Nüsse: Sie gehören eigentlich zum Obst (Schalenobst), aber bei der Gans mit Bratapfel, glacierten Maronen, Rotkohl und Kartoffelklößen empfinden die meisten Menschen Rotkohl UND Maronen als Gemüse. Mit dem Schalenobst geht auch gleich das „süß und saftig“ über Bord, denn Erdnüsse, Macadamia und Co. sind weder das eine noch das andere.
Die Sache mit mehr Zucker im Obst als im Gemüse ist übrigens aufschlussreich: Wenn Sie in einer Datenbank mit den 50 wichtigsten Obst- und Gemüsesorten nach den beiden Zuckerarten Glucose und Fructose suchen, finden Sie 37 Obstsorten und 28 Gemüsesorten mit mehr als 1 g/100 g von beidem. Wenn Sie auf 2 Gramm pro 100 Gramm erhöhen, sind es immer noch um 25 Obstsorten, beim Gemüse bleiben nur Rote Paprika und Weißkohl übrig.
Die Aussage zum höheren Zuckergehalt von Obst stimmt also. Das für die Ernährung eigentlich Interessante kommt aber erst, wenn wir uns anschauen, welche Art von Obst und Gemüse in der Verzehrsstudie zugrundegelegt wurde.
„Offizielles“ Obst und Gemüse
Unterschiede zwischen Obst und Gemüse sind in verschiedenster Hinsicht auszumachen, aber sehr genau ist das Ganze nicht. Schauen wir also in die offiziellen Vorschriften zu Lebensmitteln, vielleicht sind die ja etwas präziser:
Die deutschen Lebensmittel beschreibt das Deutsche Lebensmittelbuch. Eine Sammlung von Leitsätzen, in denen über 2000 Lebensmittel und deren Beschaffenheit erfasst werden. Wie die Lebensmittel in unseren Läden beschaffen sein müssen, wird in 7 Fachausschüssen festlegt, die sich um folgende Bereiche kümmern: 1. Fleisch, 2. Fisch, 3. Fette/Öle, Feinkostsalate, Gewürze, 4. Getreide-, Kartoffel-, Ölsamenerzeugnisse, 5. Obst, Gemüse, Pilze, 6. Getränke, 7. Speiseeis, Honig, Puddinge/Desserts.
Obst und Gemüse sind also unter Punkt 5 zusammengefasst. Was Obst ist, setzt der Fachausschuss als allgemeinbekannt voraus. Hier gelten dann im Zweifel die EU-Verordnungen (die nicht präzise unterscheiden, s. gleich unten).
Nach den „Leitsätzen für Obsterzeugnisse“ sind Obsterzeugnisse im Sinne der Leitsätze
- Erzeugnisse aus ganzen Früchten, Teilen von Früchten oder haltbar gemachte Zubereitungen daraus, insbesondere:
- tiefgefrorene Obsterzeugnisse (Zuckerzusatz kennzeichnungspflichtig, TK-Beerenmischung enthalten mitunter bis zu 10 % Zucker)
- Obstkonserven, „sehr leicht gezuckert, 9 bis 14%“ bis „stark gezuckert, über 20%
- Zu den Obstkonserven zählt auch Apfelmus („gemischt, gesüßt“ = gezuckert)
- Preiselbeeren, „Gesamtzuckergehalt (Refraktometerwert) … zwischen 40 und 55 Prozent (ohne Toleranz)“
- Fruchtgrützen (Früchte – in der Regel 50 %, Wasser, Zucker, Verdickungsmittel)
- Als nächstes kommt Fruchtsirup und bestimmte streichfähige Zubereitungen, mit:
- Fruchtsirup, „mindestens 65 % Saccharose (=Zucker) in 100 g Lösung“
- Pflaumenmus, „pro kg … höchstens 300 g Zucker“
- Apfelkraut (pro kg … höchstens 400 g Zucker) + Birnenkraut ( pro kg … höchstens 300 g Zucker)
- Rübenkraut (direkt aus der Zuckerrübe, Refraktometerwert mindestens 78 %, entspricht ungefähr dem Zuckergehalt)
- Trockenfrüchte, haben mit ihrem geringen Wassergehalt ganz von alleine einen Zuckeranteil um 50 % (Mischobst getr. = 46g Zucker pro 100g)
- Datteln dürfen zur Festigung der Oberfläche auch noch mit Zucker überzogen werden
- Bei Trockenobstmischungen dürfen auch kandierte Früchte rein
Die gesamte Liste besteht damit aus Obsterzeugnissen, die im Zuckergehalt irgendwo zwischen Milchspeiseeis und Nougat liegen. Bei diesen Obsterzeugnissen handelt es sich damit in Wirklichkeit um Süßigkeiten.
Wer seine Obstportionen nicht pur isst, sondern mit dem anreichert, was das Deutsche Lebensmittelbuch als Obsterzeugnis beschreibt, isst vielleicht auch ein wenig Obst, aber auch viele Süßigkeiten. Vor diesem Hintergrund erstaunt es dann nicht mehr so, dass die Deutschen laut Verzehrsstudie auf bemerkenswerte tägliche Obst-Portionen kommen.
Das Deutsche Lebensmittelbuch hilft uns bei der Unterscheidung von Obst und Gemüse ansonsten auch nicht viel weiter. Es zählt einfach nur Obst- und Gemüsesorten auf, ohne auf den Unterschied einzugehen. Die EU-Verordnungen, in denen Obst und Gemüse eine Rolle spielt, unterscheiden auch nicht, die werfen meist beides in einen Topf. Um dann genaustens zu regeln, wer wann für was Subventionen geben darf, wie Preise festgelegt werden und wer was wann ausführen und einführen darf.
Weitere Unterscheidungskriterien
Die Umgangssprache hat die Sache mit dem Obst und Gemüse eigentlich am besten im Griff, zumindest wenn es um den Blick darauf geht, was wir wovon in welchen Mengen zu uns nehmen sollten, um gesund zu bleiben.
Kenntnisreiche Menschen wissen, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung den Verzehr von 250 g Obst und 400 g Gemüse empfiehlt. Die 10 Regeln der DGE für vollwertige Ernährung (kurz gefasst mit Blick auf Obst und Gemüse) geben Aufschluss darüber, welches Obst und Gemüse gemeint ist:
1. Vollwertiges Essen und Trinken … überwiegen sollen pflanzliche Lebensmittel mit gesundheitsfördernder Wirkung, die eine nachhaltige Ernährung unterstützen.
3. Fünf Portionen Gemüse und Obst am Tag, möglichst frisch, nur kurz gegart oder gelegentlich als Saft oder Smoothie versorgen reichlich mit Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen und verringern das Risiko für ernährungsmitbedingte Krankheiten. Saisonale Produkte sollen bevorzugt werden.
6. Zucker und Salz in Maßen: Lebensmittel, die mit verschiedenen Zuckerarten hergestellt wurden, nur gelegentlich verzehren.
Die fehlenden 2. bis 10. betreffen Brot, Nudeln und Co., Milch und Milchprodukte, Fisch, Fleisch, Wurstwaren, Eier, Fett, Flüssigkeit, Genuss, Gewicht und Bewegung bleiben (+ jeweils Ausführungen dazu).
Wo auch immer es um Obst und Gemüse geht, geht es um frisches Obst und Gemüse, roh oder schonend und mit wenig Fett zubereitetet, wenn Zuckerzusatz, dann nur wenig. Genau das ist mit Obst und Gemüse gewöhnlich auch gemeint, wenn wir uns (umgangssprachlich) darüber unterhalten.
Unterhaltungen über Obst und Gemüse mögen in den letzten Jahren zugenommen haben; bitte Bio und ohne Pestizide usw. wollen die Verbraucher ihr Obst und Gemüse. Aber unser tatsächliches Handeln (Essen) kommt da noch nicht ganz mit. Laut der Verzehrsstudie sind die Hauptenergiequellen unserer Männer knapp 15 % Brot, dann Milch + Käse, Fleisch + Wurst, Fette, Süßwaren, Alkoholfreie Getränke, Alkoholische Getränke, Obst, gleichmäßig absteigend von 10 auf 5 %.
Bei Frauen sind es ebenfalls knapp 15 % Brot, dann Milch + Käse, Süßwaren, Obst, Alkoholfreie Getränke, Fette, Fleisch + Wurst, Backwaren.
Das bedeutet: Männer essen Backwaren in nicht erwähnenswerten Mengen. Frauen trinken alkoholische Getränke in nicht erwähnenswerten Mengen. Obst und Gemüse essen beide in nicht erwähnenswerten Mengen.
Aber es gibt Hoffnung. Unter den Duden-Assoziationen tauchen bei Obst weit vorne auch Begriffe wie Obstbaum, Obsternte, Obstanbau, Obstsorte, Lagerobst, Beerenobst und Obstgehölz auf. Bei Gemüse Hors-sol-Gemüse (vom Stadtgärtner in Nährlösung gezogen), Gemüseart und Gemüsebeet, Spargelgemüse und Gedünstetes, Ratatouille, Biogemüse, Gartengemüse, Frühlingssuppe und Enchilada, und sogar Brunoise (für den) Veggieburger. Alles überschattet vom Schneckenfraß und deutlicher Hinweis darauf, dass die deutschen Gärtner zunehmend Obst und Gemüse voll von Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen im eigenen Garten ziehen.
Fazit
Nicht präzise Definition ist entscheidend, sondern unser Umgang mit den leckeren und gesunden Früchtchen/Pflanzenteilen. Mehr Obst und Gemüse essen dient nicht nur Gesundheit, sondern bringt auch Abwechslung auf den Teller. Gartenbesitzer können sich mit dem Anbau von 3.596 deutschen Obstsorten und 319 Gemüsearten amüsieren.