Das Veredeln von Rosen zählt zu den Königsdisziplinen des Gärtner-Handwerks und flößt vielen Hobbygärtnern entsprechende Ehrfurcht ein. Es gehen sogar Gerüchte um, dass Privatleute keine Rosen veredeln dürften, was nur stimmt, wenn jemand mit den Veredelungsergebnissen groß ins Geschäft einsteigen will. Wenn „nur“ der eigene Garten durch prachtvoll blühende Rosen bereichert werden soll, dürfen sich auch Hobbygärtner an die Veredelung heranwagen – die nicht ganz so kompliziert ist, wie es sich zunächst anhört.
Unterlage auswählen und vorbereiten
Veredeln heißt, Pflanzen künstlich vegetativ zu vermehren, indem ein Pflanzenteil auf eine andere Pflanze transplantiert wird. Bei der Rosenveredlung wird das Edelreis (ein Pflanzenteil von der Edelrose) auf eine sogenannte Unterlage transplantiert und damit als genetisches Individuum vervielfältigt – Veredeln ist eine traditionelle Form des Klonens.
Die „Unterlage“ ist auch eine Rose und bekam diesen Namen, da es hier nicht darum geht, aus zwei Rosen eine neue zu machen. Die Unterlage heißt Unterlage, weil sie lediglich als Träger für fremdes Pflanzenmaterial genutzt wird; so wird sie auswählt und vorbereitet:
1. Wildrose als Unterlage
In den allermeisten Fällen wird als Unterlage eine Wildrose eingesetzt; robuste Pflanzen mit kräftigeren Wurzeln als die Edelrosen, weit weniger anfällig gegen Krankheiten und Schädlinge. Wildlingsrosen werden speziell als Rosenveredlungsunterlagen gezogen und verkauft, in mehreren Sorten, wobei jeweils auf Verträglichkeit der Edelsorte mit der Wildrose geachtet werden muss. Das sind die geläufigsten Unterlagen:
- Rosa canina ‚Inermis‘: Alte Unterlage, wüchsig und fast stachellos, passt zu vielen Rosensorten
- Rosa canina ‚Pfänder‘: Gut verzweigende Wurzel mit feinen Fasern, auch für leichte Böden, verträgt die meisten Rosensorten, relativ robust gegen Frost
- Rosa canina ‚Pollmeriana‘ liebt schwere Böden und Wärme, hält Trockenheit und starken Frost aus und verträgt sich gut mit den meisten Edelsorten
- Rosa corymbifera ‚Laxa‘ hat wenig Stacheln, entwickelt schnell dicke, kurzwachsende Triebe und lange Wurzelhälse, verträgt sich in guten Böden mit fast allen Edelsorten
- Rosa ‚multi flora‘, starkwüchsige Unterlage mit gutem Wurzelsystem, auch für leichte Standorte geeignet, gut verträglich, aber relativ frostempfindlich
- R. c. ‚Pfänder‘ wird gern als Stammbildner und für Kletterrosen genutzt
- R.c. ‚Laxa‘ ist die meist verwendete Unterlage für Beetrosen
- Wildaustrieb ist bei einigen Typen der ‚Inermis‘ und ‚Pfänder‘ zu erwarten
- ‚Pollmeriana‘ und ‚Laxa‘ treiben wenig wild
- ‚Pfänder‘ ist mehltauanfällig, ‚Pollmeriana‘ und ‚Laxa‘ leicht empfindlich gegen Falschen Mehltau und Rost
Sie können sich die Unterlage als Jungpflanze kaufen und diese selbst im Garten aufschulen (weiter aufziehen, bis die Unterlage zur Veredelung genutzt werden kann):
- Die Unterlagen sollten kräftig sein und eine Wurzelhalsdicke von 6 – 8 mm aufweisen
- Vor dem Pflanzen mit der Baumschere gut zurückschneiden, Wurzeln auf 5 -10 cm, Triebe auf 10 – 15 cm (wichtig für gutes Anwachsen)
- Im März/April Wildrosen in einem Abstand von 10 bis 20 cm pflanzen
- Beim Pflanzen Wurzelhals nicht zu tief setzten, hohe Wurzelhälse erleichtern das Veredeln
- Nach dem Pflanzen anhäufeln, damit die Wildrose besser anwächst und sich die Rinde besser löst
Häufig werden Wildlinge im Herbst verkauft, getauscht, auf Märkten angeboten. Die werden gewöhnlich gleich im Herbst gepflanzt, um im nächsten Sommer für die Veredlung bereit zu stehen. Wenn das aus irgendwelchen Gründen nicht mehr klappt, können Sie die Unterlagen auch einlagern: An Trieb und Wurzel leicht zurückschneiden, bundweise in Sand einschlagen, über den Winter frostfrei aufbewahren. Normalerweise werden als Unterlage sämlingsvermehrte Wildrosen genutzt. Wenn Ihnen diese aus irgendwelchen Gründen gerade nicht zur Verfügung stehen, soll ein Ausweichen auf bewurzelte Steckhölzer von Wildrosen möglich sein.
2. Eigene Rosen als Unterlage
Wenn Sie einen anfälligen Rosenstock im Garten stehen haben, bei dem Pilzkrankheiten wie Rost, Mehltau, Sternrußtau überhand zu nehmen drohen, aber auch robuste Sorten im Bestand haben, kann eine Umveredelung Sinn machen.
Der empfindliche Rosenstock wird auf die robuste Rose gesetzt und wird sich so in Zukunft wesentlich weniger anfällig zeigen.
3. Die Duo-Rose
Durch Veredelung können Sie sich Ihre persönliche Rose erschaffen, einen ganz besonderen Rosenstock, an dem zwei Rosen in verschiedenen Farben blühen. Dieser Hingucker entsteht, indem Rose 1 auf Rose 2 veredelt wird; wobei Rose 2 gesund und kräftig an einem ziemlich optimalen Standort wachsen sollte, sie muss ja mit einer ganz neuartigen Belastung klarkommen.
Edel-Reiser beschaffen
Wenn Sie veredeln möchten, möchten Sie das gewöhnlich tun, um besonders schöne und edle Rosen zum Blühen zu bringen.
Edel-Rosen also, und damit Rosen, die durch Veredelung vermehrt werden müssen: Bei der Zuchtauswahl auf besonders schöne (große, lange, intensiv gefärbte, gefüllte, üppige) Blüten bleiben üblicherweise einige der Eigenschaften „auf der genetischen Strecke“, die Pflanzen befähigen, sich durch ihre eigenen Wurzeln zu versorgen.
Sie können beim nächsten Rosenzüchter oder im nächsten Gartencenter Edelrosen zum Schneiden von Edel-Reisern kaufen. Aber diese Edelrosen sitzen ja bereits auf Unterlagen, wenn sie zum Verkauf angeboten werden – Sinn macht das eigentlich nur, wenn Sie eine Edelrose kaufen, um diese Rose durch Veredelung auf mehrere Unterlagen zu vervielfältigen. Wenn Sie große Flächen oder lange Wegränder mit identischen Edelrosen schmücken möchten, kann Ihnen eine solche Vorgehensweise allerdings große Kosten ersparen.
Meist geht es nicht um Massenvervielfältigung einer Edelrose, sondern ganz im Gegenteil darum, verschiedene prächtige Edelrosen im Garten anzusiedeln. Nach Edel-Reisern schöner Rosensorten können Sie vom späten Frühling bis frühen Herbst überall dort Ausschau halten, wo besonders schöne Rosen blühen, mehr als einen kleinen Zweig brauchen Sie schließlich nicht: In den Gärten von Verwandten und Freunden, in Botanischen Gärten und Rosarien. In letzteren dürfen Sie sich zwar nicht so frei bedienen wie meist im Freundeskreis, aber Mitarbeiter von Botanischen Gärten und Rosarien sind auf Anfrage häufig gerne bereit, Ihnen einen Reiser einer von Ihnen bewunderten Rose zukommen zu lassen.
Das richtige Werkzeug für die Veredelung
Das wichtigste Werkzeug für die Veredelung ist ein Okuliermesser mit gerader Klinge, ausgerundeter Spitze und „Okulationsnase“ zum Anheben der Schnittflächen.
Ein gut scharfes Küchenmesser tut es sicher auch, aber Okuliermesser gibt es sogar vom Schweizer Edelhersteller Victorinox schon für unter 30,- Euro: www.gruenconcept.de/shop/alles-zum-veredeln/veredlungsmesser-okuliermesser-veredelung-okulieren-victorinox-okulationsmesser-okulation-rosen-obstbaum-1.html.
Weiter brauchen Sie Gummiband oder speziellen „Rosengummi“ zum Fixieren und Okulier-Verschlussband zum Abdecken; oder Okuletten mit Okulationsschnellverschluss, die beides können.
Wichtig ist, dass Werkzeug und Zubehör steril sind (gemacht werden, mit purem Alkohol oder anderem Desinfektionsmittel), weil sonst leicht Krankheitserreger in die Veredelungsstelle eindringen und die ganze mühsame Arbeit zunichte machen.
Rosen veredeln Step für Step
1. Die Zeit
Wenn Sie Rosen im eigenen Garten durch Veredelung vermehren wollen, setzen Sie im Frühjahr die Unterlage und führen im Sommer die Veredelung auf diese Unterlage durch.
Sie können Edel-Reiser zwischen Mai und Juni „auf das treibende Auge okulieren“, damit das Edelauge noch im selben Jahr austreibt. Wenn Sie das Edelauge von Juni bis August einsetzen, treibt es in der nächsten Saison aus (Okulation eines schlafenden Auges).
Der beste Zeitpunkt ist der Monat August, dann steht die Edelrose in voller Blüte und die Wildrose ist bereits zu einer kräftigen Pflanze herangewachsen.
2. Edel-Reiser schneiden und vorbereiten
• Gesunden und gut ausgereiften diesjährigen Trieb mit verblühten Blüten suchen
• Mit mindestens fünf Blütenblättern unterhalb der Blüte
• Reifeprobe: Ein Trieb ist perfekt geeignet für die Veredelung, wenn der Stachel leicht abgeht
• Diesen Zweig abknipsen
• Mittleren Teil von etwa 20-30 cm herausschneiden
• Gleich nach dem Schneiden Blätter entfernen
• Blattstiel bleibt stehen, er dient später als Marker: Wenn er abfällt, ist der Edelreis angewachsen
• Außerdem liegen unter den Blattstielen gut geschützt die Augen (Knospen)
• Nicht sofort eingesetzte Reiser können bis zum Gebrauch kühl gelagert werden
• Stacheln erst kurz vor der Okulation entfernen
3. Augen auslösen
Das eigentliche Okulieren beginnt mit dem Herausschneiden des Auges aus dem Edelreis:
• Reis „verkehrt“ herum zu sich halten = Triebspitze zeigt zum Körper, Auge zum Veredler
• Okulier-Messer etwa 2 cm unter dem Auge ansetzen und in einem „ziehenden“ Schnitt bewegen (damit der Schnitt möglichst glatt wird)
• Okuliermesser an der Basis ansetzen, mit einem Schwung flach unter dem Auge durchführen
• Dann das Ganze komplett vom Reis abziehen
• „Das Ganze“ ist ein Rindenstück mit Auge, dem nun das Auge entnommen werden muss
• Oberes Stück umklappen, und Sie das einer Gabel ähnelnde Holzstück („Stiefelknecht“) entfernen
• „Der grüne Rest“ ist das Auge, das nun eingesetzt werden kann
4. Wildrose vorbereiten
Legen Sie nun die Wurzelhälse der Unterlagen mit einer Hacke vorsichtig frei und putzen Sie sie mit einer weichen Bürste und einem Lappen, bis sie ganz sauber aussehen.
So können Sie gut und mit freier Sicht arbeiten, und die bei der Veredelung verursachte Wunde wird vor Schmutz geschützt.
5. T-Schnitt setzen
Der saubere Wurzelhals wird mit dem Okulationsmesser T-förmig eingeschnitten. Das „T“ sollte aufklappen, bei Bedarf können Sie die beiden Rindenflügel mit dem Rindenlöser am Okulationsmesser kurz anlösen, um das Edelauge besser einschieben zu können. Überstehende Rinde wird parallel zum waagerechten Schnitt des „T“ weggeschnitten.
6. Auge einsetzen
Das Auge wird nun vorsichtig in die Tasche des geöffneten T-Schnitt geschoben, ggf. können die Enden noch ein wenig auseinandergeklappt werden. Überstehende Haut wird weggeschnitten, dann können Sie die Enden wieder zuklappen, damit das Auge gut geschützt liegt.
7. Veredelungsstelle verbinden
Damit die durch Veredelung zueinander gebrachten Pflanzenteile miteinander verwachsen, sollte die Veredelungsstelle möglichst wenig Bewegungen ausgesetzt werden. Fixieren Sie deshalb die Veredelungsstelle, damit sie in sich unbeweglich wird, mit einem Gummiband oder einem speziellen „Rosengummi“, den es als Veredelungszubehör zu kaufen gibt (Bast soll sich nicht eignen, wahrscheinlich wächst er zu wenig mit).
Damit sich in den Öffnungen kein Schmutz sammelt, sollte die Fixierung mit einem sogenannten „Okulier-Schnell-Verschluss“ (OSV, Okulette) abgedeckt werden. Manche Okuletten bzw. Veredlungsbänder mit Okulationsschnellverschluss erledigen beide Arbeitsschritte (Befestigen und Abdecken) auf einmal (wenn Sie viele Veredelung vorhaben, sollten Sie aber vorher prüfen, ob die Komplettlösungen gut zu handhaben sind).
Fixierung/Abdeckung sollten sofort nach der Okulation angebracht werden, da das Pflanzengewebe gerade in der Zeit kurz nach der Veredelung besonders schmutzanfällig ist.
8. Warten und Veredelung kontrollieren
Nun heißt es erst einmal warten, bis die Veredelungsstelle zusammenwächst und sich im oberen Bereich die ersten Triebe bilden. Folgende Prozesse laufen nun in der Veredelungsstelle ab:
• Das Auge im T-Schnitt bringt Kambium des Edelreises mit Kambium der Unterlage zusammen
• Das Kambium der Unterlage bildet Intermediärgewebe, bis alle Hohlräume der Veredelungsstelle gut gefüllt sind
• Dadurch entsteht Gewebedruck, der die Pflanze zur Bildung von Wundabschlussgewebe (Periderm) anregt
• Innen verwachsen Kambium der Unterlage und Kambium des Edelreises
• Bis zur Bildung von Holzgewebe, was der Gärtner „Ausreifen“ nennt
Beschleunigen können Sie das Ganze nicht, nur den Neuaustrieb regelmäßig kontrollieren und wenn nötig an Stäben aufbinden.
9. Nacharbeiten
Sobald das Auge gut angewachsen ist, kann der Überstand der Unterlage „abgeworfen“ werden, was bedeutet, dass Sie den über dem Auge stehenden Rest einfach abschneiden. Bei treibenden Augen ist das noch in der gleichen Saison fällig, bei schlafenden Augen im nächsten Februar.
Alle Neutriebe der Wildrose werden immer sofort weggeschnitten, die Rose soll nur noch aus der Veredelungsstelle austreiben. Die Unterlage wird im Laufe der Zeit immer wieder mal ein paar Wildtriebe entwickeln (je nach Wuchskraft mehr oder weniger), diese können Sie bei einer gut entwickelten, kräftigen Pflanze einfach durch Abreißen entfernen. Dies ist besonders bei Seitentrieben aus der Erde zu empfehlen, die am besten knapp unterhalb der Erdoberfläche gerissen werden sollten, Entfernung mittels Schnitt würde das Wachstum nur fördern.
Fazit
Rosen veredeln ist eine der vornehmsten Aufgaben des traditionellen Gärtnerhandwerks, deren Einzelheiten früher zu den gut geschützten Geheimnissen eines „beruflichen Herrschaftswissens“ zählten. Herrschaftswissen bleibt in Zeiten des Internets in keinem Lebensbereich ein Geheimnis, aber es hat natürlich seinen Grund, dass Gärtner ihr Handwerk über Jahre erlernen. Sie können sich ruhig an die Rosenveredelung herantrauen, sollten bloß nicht enttäuscht sein, wenn die ersten Ergebnisse noch nicht exakt Ihren Erwartungen entsprechen.