Gleich vorweg: Es liegt nicht an Ihnen und meist nicht an Ihrer Gurkenpflege, sondern an der Gurke. Die kleinen wasserreichen Vitaminbomben haben gleich zwei Gründe, die Ausbildung einer Frucht zu verweigern – die beide recht häufig dazu führen, dass zwar mehr oder weniger Blüten, aber nie Früchte zu sehen sind.
Zu wenig Sonne und Wärme
Cucumis sativus, so der botanischer Name der Gurke, kommt aus der Familie der Kürbisgewächse, und die Kürbisgewächse haben sich ursprünglich alle in tropischen und subtropischen Klimazonen entwickelt. Die Heimat der Gurke wird in Indien vermutet; sicher erforscht ist, dass sie dort um 1500 v. Chr. domestiziert wurde und sich von Indien aus in alle warmen Gebiete der Alten Welt ausgebreitet hat.
Im Irak wurden Beschreibungen von Gurken gefunden, die aus der Zeit um 600 v. Chr. stammen, im Mittelmeergebiet ist die Gurke nachweislich etwa 200 v. Chr. angekommen, die „alten Römer“ schützten Gurken für Kaisers Tiberius (14-37 n. Chr.) bereits hinter Glaswänden, wenn denen das schlechte Wetter an den Nordgrenzen des römischen Imperiums nicht gefiel. Von dort brauchte die Gurke noch 17 bis 18 Jahrhunderte, bis sie als „urdeutsches Gemüse“ den Spreewald begrünte.
Die Gurke ist also ebenso wenig bei uns heimisch wie Kürbis, Melone und Zucchini; hat sich aber in Kultur als das kältetoleranteste Kürbisgewächse erwiesen, das heute sogar in Nordeuropa angebaut wird. Dort allerdings in aller Regel im Gewächshaus, weil die Erinnerung an die warme Heimat den Gurken noch nicht so richtig ausgetrieben (weggezüchtet) werden konnte.
Gurken sind nach wie vor sehr wärmebedürftig, was ihr Gedeihen von der Aussaat bis zur Ernte bestimmt:
- Die Aussaat von Gurken fürs Freiland sollte in allen „normal warmen“ Regionen Deutschlands unter Glas oder Folie erfolgen
- Ohne diese Vorkultur erliegen die Jung-Gurken im Garten oft sofort der Frühjahrs-Witterung
- Oder die schwachen jungen Sämlinge werden gleich von Schnecken verzehrt
- Also ab Ende März in Töpfe mit Anzuchterde aussäen
- Keimtemperatur mindestens 24 °C, optimal 25 bis 28 °C, Tag und Nacht, nicht mit kaltem Wasser gießen
- Keimdauer 1–2 Wochen, nach weiteren 2 Wochen kommen die ersten Laubblätter
- Erst wenn die Außentemperaturen auch nachts nicht mehr unter 15 °C sinken, kann ins Freiland ausgepflanzt werden
- In den meisten Regionen Deutschlands dürfen die Gurken also erst nach den Eisheiligen im Mai ins Freie
- Nachdem sie vorsichtig an die Freilandbedingungen gewöhnt wurden
- Gut gedämmte Vorkultur-Glasbeete werden dazu tagsüber abgedeckt
- In geschützten Räumen angezogene Töpfe dürfen stundenweise ins Freie
- In sehr milden Regionen Deutschlands haben ab Mai ins Freiland ausgesäte Gurken eine Chance
- Erst zu dieser Zeit sollten auch Jungpflanzen vom Wochenmarkt in den Garten gesetzt werden
- Ungünstige Witterungsbedingungen führen recht schnell dazu, dass die Pflanze die weiblichen Blüten abstößt
- Nur die männlichen Blüten bleiben an der „zitternden Gurke“
- Die sich so schont, um in späteren, besseren Zeiten fit für die Fortpflanzung zu sein
- Das kann passieren, wenn der Standort nicht sonnig genug ist
- Oder wenn die Gurkenpflanzen nicht gleichmäßig bzw. mit zu wenig mit Wasser versorgt werden
- Oder wenn es zu kalt ist (Tagestemperaturen unter 18 °C, Nachttemperatur unter 12 °C)
Wenn die Gurken schon während der Anzucht frieren, legen sie erst gar keine (weiblichen) Blüten an; wenn später nicht alles passt, werden die fruchtbildenden Blüten abgeworfen – in all diesen Fällen sehen Sie irgendwann meist (männliche) Blüten, aber kaum oder keine Früchte.
Fehlende Bestäubung
Die Gurke, botanischer Name Cucumis sativus, gehört also zur Familie der Kürbisgewächse (wie Kürbis, Melone, Zucchini, mit denen sie eng verwandt ist). Diese Kürbisgewächse sind ursprünglich in der Mehrzahl einhäusig, so auch die Ur-Gurke. Einhäusig bedeutet, dass sie an einer Pflanze männliche und weibliche Blüten hervorbringen (Gegensatz: zweihäusig, nur ein Blütengeschlecht pro Pflanze).
An den jungen Gurkenpflanzen erscheinen dabei zuerst immer nur die männlichen Blüten in den Blattachseln; meist mehrere Blütenansätze in einer Achsel, von denen nur einer zur Blüte kommt. Die weiblichen Blüten zeigen sich erst ein gutes Stück später, wenn die Pflanzen kräftiger geworden sind. Sie stehen einzeln und haben nicht nur einen Stiel, sondern auch einen länglichen, verdickten Fruchtknoten unter der Blüte. Da die gelben Kelche der männlichen und weiblichen Blüten exakt gleich aussehen, kommt es auf diesen Fruchtknoten an, er ist im Grunde schon eine winzige Gurke unter der Blüte – die sich allerdings nur entwickeln kann, wenn sie auch bestäubt wurde.
Zum Bestäuben braucht es Insekten, die aber in den letzten Jahrzehnten intensiver, chemiegestützter Landwirtschaft um ein dramatisch hohes Ausmaß zurückgegangen sind. Wissenschaftler untersuchten 27 Jahre lang den Rückgang in 60 nicht zusammenhängenden Schutzgebieten und stellten im Oktober 2017 fest, dass mehr als 75 % weniger Insekten unsere Umwelt bevölkern (www.nabu.de/news/2017/10/23291.html). Und das waren nur Untersuchungen in nicht belasteten Schutzgebieten, am „Ort des Geschehens“ selbst, den pestizidgeschwängerten Feldern, ist eine solche Dauer-Untersuchung schlecht durchführbar.
Die Bestäubung ist deshalb momentan nicht mehr gesichert, und mit den Insekten wird es genauso lange Probleme geben, wie auch der letzte (Haus- Klein-) Gärtner verstanden hat, dass auch er zur Insektenrettung gebraucht wird. Parallel dazu sollte natürlich auch die Landwirtschaft wieder zu menschen- und umweltverträglicher Produktion bewegt werden, aber die Auseinandersetzung mit den in diesem Bereich involvierten Gewinninteressen könnte zu lange dauern. Wenn die mühevoll gehegten Gurken eifrig und männlich und weiblich blühen, die Blüten aber nicht bestäubt werden (= Pollen aus männlichen Blüten kommen auf Narbe der weiblichen Blüten), kann sich keine Frucht entwickeln.
Abhilfe:
- Auf Dauer viele Insektenpflanzen im Garten, die am besten rund um die Gurken angesiedelt werden und in Massen Bestäuber anlocken
- Für die aktuelle Saison können Sie nachhelfen, indem Sie täglich mehrfach die Blüten schütteln
- Wenn Sie sicher gehen möchten, können Sie chinesischen Obstbauern nacheifern:
- Feinen Haarpinsel in die männliche Blüte stecken und ein paar gelbe Staubkörnchen aufnehmen
- Diesen Staub in die weibliche Blüte abstreifen
- Wenn das noch im Sommer geschieht, kommt der Pollen noch rechtzeitig auf die Narbe, um eine kleine Gurkenernte heranreifen zu lassen
Wenn sich das „Gurkendrama“ im Gewächshaus abspielt, sollten Sie unbedingt beachten, dass die „gemischt blühenden“ Gurken dringend die Insekten zur Bestäubung brauchen, diese also nicht ausgesperrt werden dürfen. Da es etwas dauern kann, bis sich im Umfeld wieder genug Insekten angesiedelt haben, gibt es eine Alternative (die Feinschmecker allerdings nicht unbedingt befriedigen wird):
Nicht jede Gurken-Sorte braucht Bestäubung
Die kommerzielle Gurkenzucht arbeitet seit langem daran, Gurkensorten mit mehr weiblichen Blüten heranzuziehen, die dann alle Früchte bilden. In über drei Jahrtausenden Gurkenzucht hatte man einige Zeit für Experimente – inzwischen hat die moderne Züchtungsarbeit neben den ursprünglichen gemischt blühenden Sorten erst Zuchtsorten mit überwiegend weiblichen Blüten und dann rein weiblich blühende Gurken erschaffen.
Je mehr weibliche Blüten, desto höher der Ertrag, diese Zuchterfolge dominieren deshalb den Erwerbsanbau. Meist sind es glattschalige Salatgurken, eben die üblichen „langen Grünen“ aus dem Supermarkt und nur für den Gewächshausanbau geeignet. Saatgut der sehr viel seltener für den Verkauf angebauten Freiland-Salatgurken (die als Landgurken vermarktet werden) und der im Handel genutzten Sorten Einlegegurken und Schälgurken für Freilandanbau gibt es, ist aber nicht überall zu finden. Wenn Sie im Erwerbsbau genutzte Sorten anbauen, sollten Gewächshaus-Gurken auch wirklich im Gewächshaus und Freilandgurken im Freiland angebaut werden, abweichende Experimente sind mit diesen empfindlichen Spezialzuchten meist zum Scheitern verurteilt. Überwiegend weiblich blühen die Sorten:
- Darina, Landgurke für den Anbau im Tunnel und im Freiland
- Dasher II, Landgurke mit überdurchschnittlichen Regenerationsfähigkeit und deshalb viel Ertragspotenzial
Die Sorten mit rein weiblichen Blüten sind mit Blick auf die Bestäubung interessant, weil sie gewöhnlich parthenokarp (jungfernfrüchtig) sind, also überhaupt keine Befruchtung mehr brauchen. Zu ihnen zählen die Sorten:
- Corentine F1 bietet bis zu 50 Einlegegurken gleichzeitig einer Pflanze
- Flamingo F1, Gewächshaus-Salatgurke mit 30 bis 35 cm langen Früchten
- La Diva kann bereits jung ab 12-13 cm Länge als Mini-Salatgurke geerntet werden
Diese Erwerbssorten dürfen bei Anbau im Gewächshaus nicht gemischt werden und auch im Freiland nicht unbedingt direkt nebeneinander stehen. Normal blühende Gurken brauchen Insekten zur Bestäubung; jungfernfrüchtige Gurken sollten eher nicht mit Insekten und damit mit Pollen normaler Gurken in Kontakt kommen, weil sie dann wieder Samen ansetzen und ev. bauchige, verkrüppelte Früchte bilden. Wenn diese empfindlichen Gurken ihre weiblichen Blüten abwerfen, kann jeder leichte Pflegefehler schuld sein. Sie können nur nach und nach alles durchgehen und das nächste Mal eine robustere Sorte wählen.
In Bezug auf die sonstigen Eigenschaften sind diese für den Erwerbshandel gezogenen Sorten eher nicht so bemerkenswert. Den Geschmack kennen Sie aus dem Supermarkt, die Widerstandsfähigkeit ist meist so gering, dass beim gewerblichen Anbau Pestizide eingesetzt werden müssen. Viele der modernen Sorten werden inzwischen sogar in veredelter Qualität angeboten, was seinen Grund darin hat, dass diese Zuchtsorten auf eigenen Wurzeln nicht mehr gut überlebensfähig sind.
Wenn Sie gerade deshalb selbst Gurken anbauen, weil Sie bei den Supermarktgurken den Geschmack vermissen, sollten Sie sich vermutlich besser an die alten Zuchten halten, die wesentlich robuster sind und von engagierten Gärtnern in vielseitigen Sorten erhalten werden. Sie brauchen zwar Bestäubung, aber für das Überleben der Insekten sollte ohnehin jeder etwas tun, der auch in Zukunft noch Obst und Gemüse essen will. Die männlichen Blüten sind übrigens nicht sinnlos, sondern können so lange abgezupft und verzehrt werden, wie sie nicht zur Bestäubung weiblicher Blüten gebraucht werden.
Fazit
Gurken brauchen Wärme und Gurken brauchen Bestäubung. Selbstbefruchtende Gurken gibt es zwar inzwischen, aber sie befriedigen nicht immer, weil es an Geschmack und/oder an Widerstandskraft fehlen kann. Die empfehlenswerteste Lösung aus dem Gurken-Dilemma hilft der Gurke, Ihrem Garten und der Welt: Viele nektarreiche Pflanzen für Insekten neben die Gurken pflanzen, dann klappt es auch mit der Bestäubung der Gurkenblüten.