Aasblumen sind nichts für feine Nasen. Die auch als Ekelblume bekannten Pflanzen verströmen einen Geruch nach Aas. Es soll bestimmte Insekten zur Blütenbestäubung anlocken. Die Stapelia gigantea ist eine dieser Pflanzen. Ihre Blüten können einen Durchmesser von bis zu 40 cm entwickeln. Sind sie trotzdem nicht abgeneigt diese Pflanze zu kultivieren erfahren Sie hier mehr über die Aasblume.
Aasblume, Stapelia gigantea
Die Stapelia gigantea wird rund 25 cm hoch, die aufrecht wachsenden Stämme der Sukkulente können bis zu 3 cm dick werden. Auffallend gerade nach oben wachsen diese Stämme, weil ihr Wuchs durch einen sogenannten Tropismus bestimmt wird. Tropismen sind höchst spannend, sie führen mitten in die Frage, ob und wie Pflanzen leben und ob der (einzige) Unterschied zu anderen Lebewesen darin besteht, dass Pflanzen an einen Ort gebunden sind.
Schon die biologische Einteilung der Lebewesen (= organisierte Einheiten mit Stoffwechsel, Fortpflanzung, Reizbarkeit, Wachstum, Evolution …) ist oft nicht ohne Nachschlagen geläufig und ziemlich spannend, der aktuelle Versuch einer sinnvollen Gruppierung sieht so aus:
- Auf Stufe 1 werden drei Domänen unterschieden: Die ‚eigentlichen‘ Bakterien, Archaeen (Archaebakterien) und Eukaryoten.
- Bakterien und Archaeen umfassen alle Lebewesen ohne Zellkern, Prokaryoten genannt.
- Eukaryoten sind die höheren Lebewesen mit Zellkern, in Stufe 2 unterteilt in:
- Amorphea (v. a. Tiere, Pilze), Diaphoretickes (v. a. das gesamte Pflanzenreich) und Excavata (besser bekannt als Geißeltierchen, eine Art 1,5-Zeller).
In den ersten beiden Domänen ist viel los, wir Menschen bestehen z. B. aus 10 Billionen Zellen, auf und in uns leben aber 100 Billionen Bakterien; bei den Archaeen gibt es drei große Abteilungen, mit Lebewesen, die in Umgebungen unter 0 oder über 100 °C leben, in und von Salz und Säure, Schwefel und Ammoniak, CO2 und Wasserstoff, und letztere gleich mal zu Methan (Erdgas) „verdauen“ – wer das Gefühl hat, er sei nicht ganz allein auf der Welt, hat also unbedingt recht.
Unser Hauptinteresse gilt aber gewöhnlich Domäne 3, mit Tieren, Pilzen und Pflanzen, auch die hat viele, viele Überraschungen zu bieten; z. B. den Tropismus, der betrifft nämlich den Bereich „Pflanzenbewegung“. Pflanzen sind längst nicht so sehr an einen Ort gebunden, wie wir gewöhnlich vermuten, sondern bewegen sich, angeregt durch unterschiedlichste Reize. Einige Pflanzen sind sogar fähig, sich autonom zu bewegen, von alleine, ohne dass ein Reiz von außen kommt.
Auch die meisten der wundersamen Stapelien bewegen sich. Sie empfangen sogenannte gravitropistische Reize, was bedeutet, dass sie ihr Wachstum nach der Gravitation ausrichten.
Die Blüte ist ebenfalls wundersam. Sie ist erst einmal kräftig überdimensioniert für den Rest der Pflanze, mit einem Durchmesser bis zu 40 cm. Dann hat diese Blüte eine wirklich eigenwillige Form, Musterung und Textur. Fünf große Blattzipfel umgeben einen tiefen Trichter in Sternform, in weinroter oder beiger Farbe, mit einer eigenartig verschrumpelten Oberfläche. Sie ist seidenglatt, aber über und über mit feinen Haaren besetzt.
All dieses „Gedöns“ hat die Blüte mit Hintergedanken entwickelt. Weinrot und beige sollen die Blüte wie ein prächtiges Stück Fleisch aussehen lassen. Ein schon ziemlich vergammeltes Stück Fleisch, wie die Oberflächen-Behaarung als „Schimmelpilz-Imitat“ weismacht. Zusammen mit dem passenden Geruch ist die ganze Blüte eine einzige Täuschung bzw. Falle, um Aasfliegen anzulocken, auf den vermeintlich so nahrhaften Blüten ihre Eier abzulegen. Das macht die Fliege auch. Dabei bestäubt sie bei der Eiablage gleich die Blüten, tut ihren Larven allerdings keinen Gefallen, die verhungern auf dem „Scheinfleisch“.
Nichts für empfindliche Nasen
Der zur „lange sättigenden Fleischmahlzeit“ passende Geruch ist ein feinster Aasgeruch. Das ist der Grund dafür, dass die Parfümeure, Sommeliers oder mit gutem Geruchssinn gesegneten Menschen unter den Hobbygärtnern einen großen Bogen um die Stapelia gigantea machen.
Denn die gigantische Blüte der Stapelia gigantea produziert viel von diesem Aasgeruch. Sie produziert einen „qualitativ hochwertigen“ Aasgeruch, durch Amine, die auch in bereits sehr sehr lange totem Fisch für den markanten Geruch sorgen.
Wer über Räumlichkeiten verfügt, in denen er eine blühende Stapelia gigantea aus recht weiter Ferne betrachten kann oder Sie während der Blüte auf den Balkon ausquartieren kann, kann sich an der aparten Exotin freuen, ohne viel Aufwand befürchten zu müssen.
Die Stapelia gehört als Sukkulente ohnehin zu den pflegeleichten Pflanzen. Gerade die Stapelia gigantea hat keine Sonderwünsche. In ihrer Heimat, afrikanische Trockengebiete, wird sie alles andere als verwöhnt. So wächst sie hier bei geringster Zuwendung zufrieden vor sich hin.
Standort
Stapelia gigantea kommt wie gesagt aus Afrika, verträgt im Freien Klimazone 9 bis 11 mit tiefsten Wintertemperaturen zwischen −3,9 °C und +10,0 °C, kann also bei uns nur als Zimmerpflanze gehalten werden.
Im Zimmer braucht sie einen sehr hellen Platz, sollte an heißen Sommertagen aber nicht durch die Fensterscheibe gegrillt werden.
Wärme mag sie, trockene Luft auch, und ein wenig Platz: Die Aasblume bildet laufend neue Sprosse an den Seiten aus, Kübel oder Ampel sollten ihr das ermöglichen.
Wenn es warm ist, steht die Aasblume gerne im Freien, da kriegt sie endlich einmal richtig viel Licht (immer noch nicht die gleiche Lichtintensität wie in Afrika, aber immerhin). Auch hier gilt aber: Bei greller Mittagssonne etwas beschatten.
Die Pflege der Aasblume
Stapelien sind Sukkulenten, sie speichern also Wasser in ihren dicken Trieben. Wenn Sie sie aus Samen aufziehen, füllen Sie die Triebe gleichmäßig, während die Pflanze wächst. Bei solch gleichmäßiger Versorgung braucht die Aasblume recht wenig Wasser, nur während der Blüte ein wenig mehr.
Wenn Sie eine Aasblume kaufen, kann das anders sein. Je nachdem, wie die Pflanze im Handel gepflegt wurde, muss sie unter Umständen erst wieder aufgefüllt werden. Es kommt darauf an, wie die kleinen Säulen wirken. Haben sie genug, aber nicht zu viel Wasser gespeichert, stehen sie schön straff nach oben.
Sobald das der Fall ist, sollten Sie beginnen, eher vorsichtig zu gießen. Gerade so, dass die Aasblume nicht auf die Vorräte in den Säulen zurückgreifen muss. Leicht gesagt, sicher, aber wenn Sie wissen, worauf Sie achten müssen, werden Sie mit ein wenig Beobachtung ein Gefühl dafür entwickeln, wie viel Wasser Ihre Stapelia gigantea durchschnittlich braucht.
Sie soll eher ein wenig zu viel Trockenheit aushalten als einen zu feuchten Wurzelbereich. Wird sie welk oder schlapp, beginnt sie auszutrocknen. Die Wärmeliebe gilt auch für das Wasser. Also nicht frisch und kalt aus dem Hahn, sondern vor dem Gießen abstehen lassen.
Wenn Sie die Aasblume jährlich umtopfen, brauchen Sie sie nicht zusätzlich zu düngen, in der Blumenerde ist genug Dünger. Wenn nicht, können Sie in der Wachstumssaison etwas Flüssigdünger geben, v. a. von April bis Juli, für eine prächtige Blüte. Als Substrat eignet sich ganz normale Blumenerde, die mit etwas Feinkies aufgelockert wird.
Vermehrung
Stapelien können Sie aus Samen anziehen. Ob das ihre eigenen Samen aus der Blüte sein können, hängt davon ab, ob eine Aasfliege (Schmeissfliege) zur Bestäubung vorbeigekommen ist. Ansonsten können Sie die Samen (einzeln oder zu zweit) im Internet bestellen. Die Aussaat und Aufzucht soll keine größeren Probleme bereiten. Bei einer großen Menge von Samen empfiehlt sich wohl das Studium mehrerer Aufzucht-Anleitungen.
Wenn Sie keinen züchterischen Ehrgeiz haben, sondern die Stapelie einfach nur vermehren (klonen) wollen, geht das mit einem abgeschnittenen Trieb (Seitensprosse) ganz schnell. An der dünnsten Stelle kappen, 48 Stunden trocknen lassen, in einem Erde-Sand-Gemisch bewurzeln.
Überwintern
Stapelien sollten im Winter eine Ruhepause bekommen, das Licht bei uns reicht ihnen ohnehin nicht mehr zum Weiterwachsen. Dazu bekommen Sie einen kühlen Standplatz (11 bis 15 °C) und eingeschränkte Versorgung, also nur so viel Wasser, dass der Wurzelbereich nicht völlig austrocknet.
Wenn Sie keinen passenden Raum haben, können Sie die Aasblumen auch warm überwintern. Wenn sie kraftvoll weiterwachsen sollen, brauchen sie künstliches Pflanzenlicht. „Einfach so“ durchkultivieren überleben sie zwar meist, aber so geschwächt, dass die Blüte im Sommer wegen Kraftmangel ausfällt.
Arten und Sorten
Die Gattung Stapelia gehört zu den Seidenpflanzengewächsen, einer Unterfamilie der Familie der Hundsgiftgewächse.
Insgesamt gibt es 45 Stapelia, von denen rund 30 in Kultur zu finden sind, also durchaus eine Pflanze für Sammler. Es gibt Stapelia in allen Größen, und die ausdrucksstarken Blüten nehmen jede Form und jeden Rot-, Rosa- und Gelbton an, den man sich ausdenken könnte.
Die Stapelia gigantea ist zwar die Stapelie mit der größten, aber weder mit der schönsten noch mit der ungewöhnlichsten Blüte, da gibt es ganz andere Kandidaten:
Stapelia:
- arenosa, clavicorona, cedrimontana, flavopurpurea, gariepensis, glanduliflora, leendertziae, pulvinata, similis
Ein wenig Suche lohnt sich also auf jeden Fall, bevor Sie einfach zur häufig angebotenen Stapelia gigantea und der ebenfalls ziemlich verbreiteten Stapelia grandiflora (mit eher unschön fleischfarbenen bis dunkelbraunen Blüten) greifen.
Diese Suche kann Sie zu Tauschbörsen führen, ansonsten werden die aparten Pflanzen meist in Kakteen-Gärtnereien gehandelt. Obwohl es keine Kakteen sind, die Familie der Kakteengewächse gehört zur Ordnung der Nelkenartigen, recht weit von der Seidenpflanzen-Familie Hundsgiftgewächse aus der Ordnung der Enzianartigen entfernt. Aber obwohl suculentus nicht mehr als “saftreich” heißt und Sukkulenten quer durch das ganze Pflanzenreich zu finden sind, werden sie meist bei den Kakteen gesucht, und dort handeln sie die Händler dann eben auch.
Andere Aasblumen
In den Pflanzengattungen der Seidenpflanzengewächse finden sich noch einige andere Aasblumen mit prägnanten sukkulenten Trieben und ausdrucksstarken Blüten:
- Bei den Caralluma sind z. B. die Caralluma acutangula und die Caralluma stalagmifera in Kultur
- Bei den Duvalia gibt es 21 Arten Aasblumen, von denen mehrere kultiviert werden
- Die Orbea haben z. B. die Orbea variegata (Blüte in schickem Tigermuster) zu bieten
- Bei den Hoodia ist die medizinisch genutzte Hoodia gordonii bekannt
- Huernia stellen mehrere sehr apart geformte Aasblumen: Huernia hislopii, Huernia occulta und Huernia thuretii z. B.
Falls Sie nur wissen möchten, wie Sie Ihre Nase schonen: Aasgeruch verströmen außerdem Aronstab (Arum), Haselwurz-Arten (Asarum), Rafflesia (Rafflesia arnoldii), Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria), Seidenpflanzen (Asclepias) und Wachsblumen (Hoya).
Fazit
Die Aasblume ist eine tolle Pflanze für Zimmergärtner mit Hang zum Ungewöhnlichen. Sehr aparte Gestalt und Wirkung, riesige, außergewöhnliche Blüte, leicht zu halten, leicht zu pflegen, leicht zu vermehren. Ob Menschen mit gut ausgeprägtem Geruchssinn glücklich mit Stapelien werden, hängt allerdings davon ab, ob Sie sie während der Blüte an einen Ort stellen können, in dem sie aus angemessener Ferne bewundert werden kann – die Täuschblüte verbreitet einen wirklich durchdringenden Aasgeruch.