Die ganz natürliche Entwicklung einer erntebereiten Küchenzwiebel erfordert Geduld vom Gärtner: Ausgesäte Zwiebeln „schaffen“ im ersten Jahr nicht viel mehr als viele schöne grüne Blätter, weil die erste Vegetationsperiode ihnen nicht ausreicht, um Blüten zu entwickeln, und erst recht keine nennenswerte Zwiebel produziert werden kann. Erst in der zweiten Vegetationsperiode haben die Zwiebeln die biologischen Signale empfangen, um eine Blüte auszubilden, während sich die Sprossachse im unteren Teil bereits zur bauchig aufgetriebenen Zwiebel verdickt. Bei der ursprünglichen Zwiebelpflanze entsteht nicht nur eine Zwiebel, sondern viele Tochterzwiebeln nebeneinander, wie es z. b. bei Schalotten heute noch zu beobachten ist. Von diesen Tochterzwiebeln kann dann ein Teil geerntet werden, während der Rest weiterwachsen könnte (Zwiebeln sind eigentlich mehrjährig).
Wachstum der Gartenzwiebel und Blütenentwicklung
Weil all das den Menschen zu lange dauerte, wurde in Zucht und Kultur einiges unternommen, um früher zur Ernte der begehrten Zwiebelknollen zu kommen. Heute werden im Erwerbsanbau Zwiebelsorten kultiviert, die eine große Zwiebel und kaum oder keine Tochterzwiebeln bilden und spät/wenig zur Blütenbildung neigen. Außerdem werden gewöhnlich kleine Zwiebelpflanzen vorgezogen, die in einer Saison eine Zwiebel beachtlicher Größe entwickeln können, wenn sie im Frühjahr gesteckt werden (so entstehen die normalen Küchenzwiebeln für den Handel). Diese Sommerzwiebeln lassen sich in milden Gegenden auch anbauen, indem sie im sehr zeitigen Frühjahr ausgesät werden, um zwischen August und Oktober geerntet zu werden. So entstehen nicht die größten Zwiebeln, aber die Aussaat soll Zwiebeln mit tollem Aroma hervorbringen.
Diese Sommerzwiebeln sind recht gut lagerfähig; je später sie geerntet werden, desto besser ausgereift sind die Zwiebeln und desto fester ist ihre Konsistenz. Weiter werden sogenannte Winterzwiebeln angebaut, bei denen es sich genauer gesagt um überwinternd kultivierte Zwiebeln handelt. Sie werden im August gesät, reifen in der nächsten Saison heran und können dann schon ab Juni geerntet werden. Die Winterzwiebeln sind etwas saftiger und auch etwas milder, lagern lassen sich diese „Kinderzwiebeln“ aber nur eine recht kurze Zeit.
Egal wie Zwiebeln angebaut werden: Blüten zur Fortpflanzung entwickeln sie erst als erwachsene Zwiebeln, während sie gleichzeitig „auf der anderen Seite“ Tochterzwiebeln (bei Zuchtsorten: eine große Zwiebel) bilden. Da wir normalerweise darauf aus sind, die Zwiebeln unten und nicht die Zwiebelblüten oben zu ernten, soll im Kulturverfahren die Entwicklung einer möglichst großen Zwiebel gefördert werden. Die Blütenbildung stört dabei, weil sie den Pflanzenstoffwechsel Kraft kostet, die lieber der Zwiebel zugutekommen soll, sie wird also möglichst verhindert.
Blühendende Zwiebeln sind mehrfach nutzbar
Soweit die schnöde Theorie der verhinderten oder zu verhindernden Blüte. Aber selbst maximal blüh-unwillig gezüchtete Zwiebel-Kultursorten sind lebendige Pflanzen, die den „genetischen Fahrplan“ ihrer Ahnen nicht immer vollkommen vergessen. Je besser Sie ihre Zwiebelpflanzen versorgen, desto besser wachsen sie und desto schneller werden sie erwachsen – mit der Folge, dass sie schon mal gerne die eine oder andere Blüte bilden.
Wenn das passiert, haben Sie mehrere Möglichkeiten, damit umzugehen:
1. Schneiden
Sie können den Blütenstängel entfernen, sobald Ihnen klar wird, dass es sich um einen solchen handelt. Beim ersten Zwiebelanbau also meist erst, wenn der Stängel bereits eine Blüte entwickelt hat; später werden Sie lernen, den deutlich kräftigeren Blütenstiel vor der Blüte vom normalen Zwiebellaub zu unterscheiden. Wenn der Blütenstiel früh entfernt wird, wächst die Zwiebel nach Entfernung dieses Blütenstängels normal weiter und kann normal geerntet werden.
Wenn die Blüte bereits voll ausgebildet ist, können Sie eigentlich gleich die ganze Zwiebelpflanze rausziehen, „mehr Zwiebel“ wird es diese Saison nicht werden (voll blühende Zwiebeln bilden keine große runde Knolle mehr aus, sondern bleiben klein und länglich). Die Blüte nach dem Rausziehen sofort abbrechen, sonst saugt die Blüte noch schnell sämtlichen Geschmack aus der Knolle aus, Zwiebel + Zwiebellauch normal in der Küche verwenden und mit der Zwiebelblüte Köstlichkeiten zubereiten:
2. Schmausen
Zwiebelblüten können gegessen werden, wie Zwiebellauch und Zwiebelknollen; und sie schmecken ziemlich gut. Sie machen z. B. aus schlichten Tomaten (mit Öl, Salz und Pfeffer) ganz fix eine besondere Vorspeise, schmücken Salate und pikante Suppen. Küchenchefs mischen die Zwiebelblüten auch gerne in Kräuterbutter – allerdings nur, wenn im Küchengarten des Lokals recht viele Zwiebeln in Blüte gegangen sind, denn ein Teil der Blüten ist schon anders verplant:
3. Steckzwiebeln machen
Kenner ärgern sich nicht, wenn ein Teil ihrer Zwiebeln Blüten entwickeln, sondern lassen diese Blüten bis zur Samenreife an der Pflanze, um sich ihre Steckzwiebeln selbst zu produzieren:
- Reife Fruchtkapseln trocknen langsam ein, bis sie entlang der Mittelrippen aufreißen und die Samen freilegen
- Es ist soweit, wenn sich die Hüllen der 5 – 8 mm großen Samenkapseln braun verfärben, gewöhnlich im Juli
- Dann kann die Ernte beginnen; pro Fruchtstand 40 – 80 Kapseln mit mehreren Samenkörnern
- Die vollständig trockenen Blüten werden an einem sonnigen Tag in eine Schüssel geerntet, wobei sich meisten Samen bereits aus ihrer Hülle lösen
- Die Samen werden getrocknet und über den Winter trocken aufbewahrt
- Ende Februar in Anzuchterde aussäen
- Anzuchttöpfchen an einem sonnigen Fenster (am Tag um 20 °C, nachts gerne kühler) aufstellen
- Nach etwa 10 Tagen erscheinen viele junge Zwiebeln, die ins Gartenbeet ausgepflanzt werden können, wenn sie kräftig genug sind und der Boden warm genug ist
- Wenn in einer kälteren Region die Eisheiligen abgewartet werden sollen, später vorziehen oder Zwischenstation im Folien-Frühbeet einplanen
- Ein wenig zu viel Wärme während der Aufzucht dürfte eher günstig zur Verhinderung künftiger Blüte sein:
- Im Erwerbsanbau werden Stecklinge zum Schutz gegen übermäßige Blütenbildung warm gehalten
- Temperaturen über 6 °C während der Ruheperiode vernichten sogar einen bereits initiierten Blütenansatz
4. Samengewürz
Wenn sehr viele Zwiebeln in Blüte gegangen sind, können Sie die nussig bis pfeffrig schmeckenden Zwiebelsamen in eine Gewürzmühle füllen und z. B. auf Schnittchen oder in Eintöpfe geben.
In der Gewürzmühle schaden Samenhüllen zwar nicht, bringen aber auch keinen Gewinn. Sie können die Samen ganz gut von den Hüllen trennen, indem Sie die frisch geernteten Samen mit der Hand in der Schüssel etwas „durchwurschteln“ und dann schlicht in die Schüssel pusten (im Freien bitte). Die hauchdünnen, leichten, trockenen Samenschalen lassen sich wegpusten, die etwas schwereren Samen bleiben (wenn Sie mit Feingefühl pusten, „Wind aus vollen Backen“ leert die ganze Schüssel).
5. Schmücken
Frisch geschnittene Zwiebeln halten sich in der Vase eine ganze Weile. Diese zarte Vielblüte ziert jedes floristische Kunstwerk.
Blütenentwicklung verhindern
Im Erntejahr der Zwiebeln passiert gleichzeitig Folgendes:
- Unten in der Erde wachsen die Wurzeln, und die Sprossachse wird dicker
- Bis irgendwann die bauchig aufgetriebene Zwiebel entsteht, die Sie ernten möchten
- Wenn Sie alte, ursprüngliche Zwiebelsorten gewählt haben, entwickeln sich auch meist noch ein paar Tochterzwiebeln
- Oben wachsen grüne Triebe, je nach Aussaat/Vorzucht irgendwann vielleicht auch ein kräftiger Blütentrieb
Diesen Blütentrieb wollen Sie nicht, zumindest nicht an jeder Zwiebelpflanze, weil Sie von blühenden Zwiebeln keine richtigen Zwiebelknollen ernten können. Also müssen Sie den Zwiebeln die Lust an der Blüte irgendwie verleiden, folgende Maßnahmen werden vorgeschlagen:
- Zwiebelbeet schon im Herbst vor dem Anbau vorbereiten, indem gut gereifter Kompost in den Boden eingearbeitet wird
- Nach dem Stecken Zwiebeln innerhalb der gebotenen guten Nährstoffversorgung (Starkzehrer) eher knapp halten
- Also möglichst nur mit organischem Dünger wie Hornmehl vorsichtig nachdüngen
- Schnell verfügbarer Mineraldünger ist schlecht dosierbar, zu wenig lässt Zwiebeln schießen, zu viel führt zu viel schlappem Grün
- Zum Mulchen eher eine magere Laubdecke wählen als leckeren Kompost, der vor Kraft strotzende Zwiebeln zur Blüte animiert
- Ansätze von Blütentrieben so schnell wie möglich wegschneiden
- Wenn eine bestimmte Sorte immer wieder übermäßig Blüten entwickelt, fühlen sich diese Zwiebeln bei Ihnen einfach zu wohl
- Also andere Sorte wählen (oder zum Zwiebelzüchter umsatteln)
Fazit
Wenn Zwiebelpflanzen blühen, erinnern sich durch Zucht gewaltig beeinflusste Pflanzen an ihre eigentliche Natur. Also kein Beinbruch, sondern eher ein Kompliment an die gute Pflege. Wenn Sie die Blütenentwicklung nicht rechtzeitig stoppen können, können Sie mit den Zwiebelblüten einiges unternehmen, z. B. neue Zwiebelpflanzen ziehen.