Clematis sind so pflegeleicht, dass die Frage nach den Einzelheiten ihres Rückschnitts recht häufig erst ins Bewusstsein rückt, wenn „das wilde Gestrüpp an der Hauswand“ ganz offensichtlich dringend eine Behandlung mit einer Schere braucht … bis dahin war die Waldrebe einfach da und tat, was Reben eben so tun: Wachsen und dabei in die Höhe klettern. Hier die Anleitung, wie und wann die Schere bei verschiedenen Clematis zu führen ist.
Rückschnittempfehlungen
Wenn Sie Informationen zum Rückschnitt von Clematis suchen, werden Sie schnell festzustellen, dass der Schnitt von Clematis eines der wichtigsten Themen rund um die Pflege der Clematis darstellt. Nicht viel später werden sie feststellen, dass den Artikeln zur Schnittpflege von Clematis viele widersprüchliche Rückschnittempfehlungen zu entnehmen sind. Damit Sie entscheiden können, welche Aussage zum Schnitt von Clematis Sinn macht und welche nicht, werden in der folgenden Anleitung Begründungen mitgeliefert.
Soviel schon einmal vorab: Der Schnitt spielt bei der Kultur einer Clematis eine ebenso große Rolle wie die Pflege – insgesamt also eine recht geringe Rolle; Clematis sind ebenso schnittverträglich wie pflegeleicht. Mit der Pflege einer Clematis werden Sie in der Regel ohne Anleitung klarkommen, wenn Sie schon einmal irgendeine andere Pflanze in den Garten gepflanzt und aufgezogen haben. Bevor Sie eine Clematis schneiden, sollten Sie darüber informiert sein, dass es bei den Clematis drei unterschiedliche Schnittgruppen gibt, weil es bei den Clematis auch drei unterschiedliche Blütezeiten gibt.
Ihren allerersten Schnitt bekommen aber alle Clematis zur gleichen Zeit, unabhängig von der Zeit der Blüte:
Für alle: Aufbauschnitt nach dem Pflanzen
Die neu gepflanzte Clematis wird gegen Ende des Pflanzjahres (November, Dezember) bis auf ca. 20-30 cm über der Erde zurückgeschnitten. Auch die Frühjahrsblüher unter den Clematis-Sorten, obwohl Sie bei denen mit dem Pflanzschnitt die Blütenanlagen für die nächste Saison wegschneiden. Die Blüte dieses ersten Jahres würde ohnehin ziemlich mickrig ausfallen, es ist kein großes Opfer, zugunsten der Förderung der Pflanzenentwicklung auf diese paar Blüten zu verzichten.
Gepflanzt wird meist im Spätsommer, weil das mit Blick auf die Bodentemperatur die beste Pflanzzeit für Clematis ist. Den Aufbauschnitt sollten aber auch Clematis bekommen, die früher oder später in der Saison gepflanzt wurden. Besonders für (zu) spät gepflanzte Clematis ist der Pflanzschnitt wichtig, damit sich die Clematis „ohne Belästigung durch große, hungrige Pflanzenmassen über der Erde“ auf schnelles Einwurzeln konzentrieren kann.
Wenn die Clematis angewachsen ist, gelten folgende Schnittregeln:
Rückschnittgruppe 1
Zur Rückschnittgruppe 1 gehören zahlreiche Wildarten, die Sorten der Untergattung Atragene (C. alpina und einige andere seltener kultivierte Arten; sogenannte Atragene-Gruppe), C. montana und alle aus diesen Arten gezüchtete Hybriden.
Es handelt sich um Arten aus Bergregionen und anderen Höhenlagen der Nordhalbkugel, die alle im zeitigen Frühjahr blühen, i.d.R. April bis Mai. Mit der frühen Hauptblüte sind sie hervorragende Bienen- und Hummelnährgehölze.
Die Rückschnittgruppe 1 wird am besten gar nicht beschnitten, ihre Triebe halten jede Winterkälte ohne Schaden aus. Aber sie kann beschnitten werden, muss auch manchmal beschnitten werden. Unbedingt notwendig wird ein Schnitt zum Beispiel, wenn die Clematis im Inneren zu dicht wird, zu Vergreisen/Verkahlen droht oder wenn sie in anderer nicht erwünschter Art und Weise (unter Verlassen der Rankhilfe) eigene Wege geht. Wenn beschnitten werden muss, sollte das bei diesen Clematis gleich nach der Blüte im späten Frühjahr geschehen.
Denn die Arten der Rückschnittgruppe 1 gehören zur Rückschnittgruppe 1, weil sie die Frühjahrsknospen im Sommer und Herbst des Vorjahres anlegen (am alten, am vorjährigen Holz blühen). Die Knospenentwicklung beginnt, wenn die „alten“ Blüten verblüht sind, mit Schnitt im Sommer oder Herbst schneiden Sie also die Blüte des Folgejahres weg. Nur beim Schnitt direkt nach der Blüte bleibt der Pflanze genug Zeit, um Knospen fürs nächste Jahr anzulegen.
Rückschnittgruppe 2
Rückschnittgruppe 2 versammelt alle Clematis, die zweimal im Jahr blühen. Gewöhnlich großblumige Hybriden, wenn auch bei der ein oder anderen Naturart eine Nachblüte vorkommen kann, meist mit Blühterminen Mai/Juni plus August/September. Wie C. alpina und C. montana blühen diese Clematis im Frühjahr. Aber nicht mit den in der Vorsaison angelegten Knospen, sondern an Kurztrieben, die sich in der laufenden Saison am vorjährigen Holz entwickeln. Vorjähriges Holz sollte also vorhanden sein, ein möglichst gut verzweigtes vorjähriges Holz, das viel Platz für Kurztriebe mit Frühjahrsblüten hat.
Schnitt regt zur Verzweigung an, wenn diese Clematis frisch beschnitten in die Saison starten, werden sich mehr Kurztriebe entwickeln als ohne Schnitt. Frisch beschnitten starten diese Clematis in die Saison, wenn sie kurz vor Eintritt in die Vegetationsruhe im November/Dezember beschnitten werden, aber auch bei Frühjahrsschnitt kurz vor Austriebsbeginn.
Deshalb wird für diese Rückschnittgruppe auch beides empfohlen, mit entsprechendem Streit der Fachleute. Den Vertretern des Schnitt im Spätherbst spielt allerdings der Klimawandel immer mehr Argumente zu: Jahr für Jahr werden die Winter milder, die Clematis treiben immer früher aus – Schnitt in der Zeit vor Austriebsbeginn erfordert genaue Beobachtung von Wetter und Pflanze, und wer nicht genau genug beobachtet, schneidet bereits ausgebildete Kurztriebe und damit die Blüte der Saison weg. Bei Rückschnitt im späten Herbst haben Sie mit solchen Schwierigkeiten nicht zu kämpfen. Alle 4 – 5 Jahre sollte dieser Rückschnitt etwas stärker ausfallen, um einem Verkahlen der Clematis vorzubeugen: Triebe bis auf die Hälfte einkürzen, bei älteren Pflanzen bis auf etwa einen Meter über dem Boden.
Im Frühjahr dürfen Sie trotzdem tätig werden, allerdings im ganz späten Frühjahr: Wenn die erste Blüte im Frühjahr vorbei ist, bilden die großblumigen Hybriden dieser Rückschnittgruppe noch einmal neue Langtriebe aus, die Sommer bis Spätsommer erneut blühen. Wenn Sie die Clematis vorher einem leichter Sommerschnitt im Juni unterziehen, bei dem Sie die Fruchtstände und das darunter liegende Blattpaar entfernen, treibt die zweifach blühende Clematis noch einmal richtig freudig wieder aus. So können Sie sich nach etwa sechs Wochen auf eine wirklich üppige zweite Spätsommerblüte freuen.
Rückschnittgruppe 3
Rückschnittgruppe 3 umfasst die starkwüchsigen Hybriden und Wildarten, die ausschließlich im Sommer blühen. Das sind im Wesentlichen Clematis viticella, alle nicht kletternden Staudenclematis (Tubulosa-Gruppe mit C. integrifolia, C. diversifolia und C. heracleifolia Tubulosa-Gruppe) und sommerblühende Hybriden wie die bekannte Clematis x Jackmanii. Außerdem ein paar eher seltene Clematis: Gelb und spät blühende Vertreter der Tangutica-, Orientalis-, Vitalba-Gruppe (die bis in 10 m Höhe klettern, aber nicht unbedingt jeden Winter beschnitten werden müssen).
Alle diese Arten und Sorten blühen an den Langtriebe der aktuellen Saison, vor allem gegen Ende des Triebs zeigen sich die Blüten in Massen und sollen das im nächsten Jahr wieder tun. Die Triebe der letzten Saison müssen vorher gekürzt werden, grundsätzlich ist wieder Schnitt im Spätherbst oder Frühjahrsschnitt kurz vor Beginn des Austriebs möglich, um den Schnitttermin gibt es den gleichen Streit wie bei Rückschnittgruppe 2.
Aus den gleichen Gründen wie dort wird heute für Rückschnittgruppe 3 Schnitt im November oder Dezember empfohlen; aber hier dürfen/sollten Sie ziemlich radikal ans Werk gehen – diese starkwüchsigen Clematis brauchen jedes Jahr einen kräftigen Rückschnitt bis kurz (20 – 50 cm) über den Erdboden, um nicht komplett „aus dem Ruder zu wachsen“.
Im Zweifel hilft nur eigene Entscheidung
Die „drei Schnittgruppen der Clematis“ werden mitunter beschrieben, als wenn es sich um nur auf Clematis anzuwendende Sonderregeln handele. Von einem historischen Clematis-Züchter aufgestellt und seitdem tradiert, ein Verstoß gegen die ehernen Gesetze fast schon Blasphemie.
So ist es nicht, jede Clematis wird einfach nur mit Rücksicht auf ihre Blütenentwicklung beschnitten.
„Ganz grundsätzlich gesehen“ könnten Sie Ihre Bäume und Sträucher irgendwann im Jahr beschneiden. Schnitt zu Beginn der Wachstumssaison regt z. B. zur Verzweigung an, bei Schnitt im Sommer funktioniert die Wundheilung am besten, Schnitt in der winterlichen Ruhezeit hat bei laubabwerfenden Pflanzen den Vorteil, dass der Aufbau der Pflanze gut zu sehen ist. Es gibt viele weitere Gründe, an einer Pflanze gewisse Arbeiten zu einer gewissen Zeit vorzunehmen.
Manchmal sind die Gründe in alten Zeiten zu suchen, so wurden die im Winter nicht sonderlich gut zum Wundverschluss fähigen Obstbäume lange Zeit trotzdem im Winter beschnitten, weil die Bauern im Sommer keine Zeit dazu hatten. Heute gibt es keine Bauern mit Obstbäumen mehr, aber Massen von Monokulturen im Umfeld, in denen sich alle möglichen Bedrohungen übermäßig vermehren – Sommerschnitt des Baumes in voller Kraft wird ratsam. Manchmal machen die Gründe Sinn, so wie bei der Empfehlung, Clematis in drei Schnittgruppen zu unterschiedlichen Zeiten zu schneiden. Das sind einfach die Zeiten, zu denen die Blüte der nächsten Saison nicht unter dem Schnitt leidet.
Die Schnittgruppen sind auch keinesfalls auf Clematis beschränkt, so legen z.B. auch Forsythien, Hortensien und Rhododendron die Frühjahrsknospen im Sommer und Herbst des Vorjahres an und „gehören damit zur Schnittgruppe 1“.
Ein Beschnitt zu anderen als den bei den Schnittgruppen vorgegebenen Zeiten kann aus mehreren Gründen sinnvoll/notwendig werden:
1. Unkenntnis der Sorte
Wenn eine Clematis bei Ihnen wächst, deren botanischen Namen Sie nicht kennen, können Sie entweder Sortenlisten wälzen, um die Pflanze genau zuzuordnen; oder die Einordnung in eine Rückschnittgruppe selbst und nach genauer Beobachtung der Pflanze vornehmen. Letzteres ist im Zweifel sicher besser für die Clematis …
2. Andere Notwendigkeiten
Die Schnittgruppen geben auch nur eine grobe Richtung vor, andere Notwendigkeiten können zu anderen Schnittzeiten führen.
So wird die im Winter einziehende Texas-Waldrebe C. texensis häufig der Schnittgruppe 3 zugeschlagen, weil sie jedes Jahr und im Winter beschnitten werden muss. Ein Beschnitt gleich zu Winterbeginn könnte diese Clematis jedoch das Leben kosten, wenn später im Winter herber Frost aufkommt – „Einziehen“ bedeutet „oberirdisch wegfrieren, wenn Frost kommt, aber bis dahin durch die über der Erde vorhandene Pflanzenmasse das Überleben der Wurzel schützen, die im Frühjahr völlig neu austreibt“.
Möglicherweise hat auch einfach die Zeit nicht gereicht, um die Clematis gemäß ihrer Schnittgruppe zu beschneiden. Dann muss der Schnitt später nachgeholt werden, was für alle drei Schnittgruppen durch einen Schnitt kurz vor Austriebsbeginn (im Februar/März) möglich ist. Eigentlich gefüllt blühende Hybriden sollen unter diesen Umständen allerdings gelegentlich zur einfachen Blüte zurückkehren.
Weiter soll es Clematis der Schnittgruppe 3 geben, die nicht mitbekommen haben, dass man von ihnen schnellen, kräftigen Wuchs erwartet. Solche Pflanzen können Sie solange in Ruhe lassen oder nur rundum ein wenig kürzen, wie sie ihren Wuchs im Schneckentempo beibehalten. Aber unter aufmerksamer Beobachtung, auch bei Pflanzen soll es Spätstarter geben.
3. Nicht einzuordnende Hybriden
Es gibt Hybriden, die in ihrer Abstammung Clematis aus mehreren Rückschnittgruppen vorweisen. Welcher Schnittgruppe solche Clematis jeweils zuzuordnen sind, ist unter Fachleuten häufig umstritten.
Sie können hier beginnen, sich mit den Aussagen der Fachleute auseinanderzusetzen oder wie unter 1. beschrieben selbstbestimmt entscheiden.
4. Kaum bekannte Exoten
Es gibt seltene Duftclematis und Vertreter der C. flammula, C. armandii und der Florida-Gruppe, die noch keiner Schnittgruppe zugeordnet wurden, weil sie gewöhnlich nur unter Liebhabern gehandelt werden. Sollte eine solche Rarität zu Ihnen gefunden haben, können Ihnen nur die Bezugsquelle oder ein ausgewiesener Clematis-Fachmann Einzelheiten zum Beschnitt verraten (der nicht unbedingt nach dem strengen Schema einer der Schnittgruppen zu erfolgen hat).
Fazit: Clematis schneiden ist recht unkompliziert; den besten Zeitpunkt zum Schnitt einer Clematis herauszufinden, kann dagegen ziemlich aufwendig werden. Auch wenn Sie wissen, welcher Schnittgruppe Ihre Clematis angehört, ist das aber nur eine grobe Orientierung, die Sie im Zweifel nicht vor eigenen Entscheidungen bewahrt …