Dass Pflanzen zum Keimen Wärme benötigen, leuchtet ein. Denn jedes Frühjahr können wir aufs Neue beobachten, wie warme Temperaturen die Natur zum Leben erwecken. Doch die Samen einiger Pflanzen müssen zuvor zwingend durch eine längere Kälteperiode gehen. Sie baut Stück für Stück die vorhandene Keimhemmung ab. Erst danach kann ihnen Wärme ein neues Pflänzchen entlocken. So lassen Sie die Kaltkeimer frieren.
Kaltkeimer und Frostkeimer
Früher wurden alle Pflanzen, die zum Keimen eine Kälteperiode benötigen, als Frostkeimer bezeichnet. Da die notwendige Kälteperiode jedoch nicht immer Minusgrade erfordert, wird dieser Begriff heutzutage nicht mehr so oft verwendet. Nur die wenigen Pflanzenarten, die tatsächlich Frost benötigen, werden weiterhin Frostkeimer genannt. Für die anderen Sorten hat sich inzwischen die korrektere Bezeichnung Kaltkeimer durchgesetzt. Gelegentlich wird auch der Begriff Kühlkeimer verwendet.
Keimhemmung
Alle Samen enthalten Hormone, die die Keimung fördern. Die Samen der Kaltkeimer werden bei der Reifung jedoch gleichzeitig mit keimhemmenden Stoffen ausgestattet. Dadurch wird verhindert, dass nach der Quellung der Schale sofort die Keimung einsetzt. In durchgehend warmen Gegenden der Erde stellt das sofortige Keimen kein Problem dar. Doch in Gegenden, in denen sich Jahreszeiten abwechseln, kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an. Denn zwischen Samenreifung im Herbst und dem Frühjahr, wenn die neue Vegetationsperiode startet, liegt der kalte, wachstumsfeindliche Winter. Es darf nicht passieren, dass die frischen Samen im milden Herbst austreiben. Die jungen Pflänzchen würden im Winter erfrieren, ohne dass sie zur vollen Entfaltung gekommen sind.
Abbau der Keimhemmung
Zu Beginn herrscht im Samen eines Kaltkeimers Gleichgewicht zwischen keimfördernden und keimhemmenden Hormonen. Solange das so bleibt, ist Keimung nicht möglich. Daher müssen zuerst die keimhemmenden Stoffe abgebaut werden. Der Abbauprozess startet, sobald die Samen der Kälte ausgesetzt sind. In der freien Natur geschieht das ganz natürlich durch die niedrigen Temperaturen, die im Winter draußen vorherrschen.
Es ist jedoch auch möglich, die Kälte, die der Kaltkeimer benötigt, künstlich herbeizuführen. Große Saatgutfirmen haben dafür ihre Kühlhäuser. In privaten Haushalten kann der Kühlschrank diesbezüglich gute Dienste leisten.
Zeitraum und Temperaturen
Zwei Fragen stellen sich: Welche Temperatur ist vonnöten, damit der Abbau keimhemmender Hormone beginnt. Und wie lange muss eine Kälteperiode andauern, damit der Abbau erfolgreich abgeschlossen wird? Diese Fragen müssen tatsächlich für jede Pflanzensorte separat beantwortet werden, denn Untersuchungen des Sachverhalts haben folgende Erkenntnisse gebracht:
- die Länge der benötigten Kälteperiode ist pflanzenabhängig
- im Durchschnitt dauert sie vier bis acht Wochen
- es gibt aber auch Extreme, die Jahre benötigen
- auch die optimale Temperatur variiert von Pflanze zu Pflanze
- den meisten Samensorten genügt eine Temperatur von 0 bis 5 °C
Bekannte Kaltkeimer
Neben zahlreichen einheimischen Bäumen wie Eichen, Buchen und Haselnüssen gehören auch viele Blumensorten zu den Kaltkeimern. Wenn Sie diese Kaltkeimer aussäen, sollten Sie das zeitlich so planen, dass sie ihre benötigte Kälteperiode bekommen.
- Alpenveilchen
- Bärlauch
- Bergenien
- Christrosen
- Eisenhut
- Enzian
- Glockenblume
- Lampionblume
- Lilien
- Mohnblumen
- Pfingstrosen
- Schlüsselblumen
- Stockrosen
- Tränendes Herz
- Waldmeister
- Zierlauch
Aussaatzeitpunkt
Bei der Aussaat der Kühlkeimer orientieren wir uns an die Natur. Sie lässt im Herbst die Samen zu Boden rieseln, wo sie im Frühjahr keimen. Deswegen sollten auch wir Menschen Kühlkeimer aussäen, bevor die große Kälte hereinbricht.
- im Herbst aussäen
- von September bis November
- oder im Winter
- Dezember und Januar
Welche der beiden Jahreszeiten für die Aussaat optimal ist, hängt von der Pflanze ab. Einige Sorten benötigen zunächst milde Temperaturen, während die Schale quellt. Erst danach darf sich die notwendige Kälteperiode anschließen. Diese Sorten sollten Sie daher direkt nach der Reifung der Samen aussäen, damit sie noch ein paar warme Tage abbekommen.
Material für die Aussaat
Wenn Sie Kaltkeimer aussäen möchten, benötigen Sie neben genügend Samen auch noch folgende Materialien:
- Aussaatschale mit Abzugslöchern
- nährstoffarme Aussaaterde
- Sprühflasche für Wasser
- Maschendraht
Auch ein feinmaschiges Sieb zum Durchsieben der Anzuchterde, ein Erdstempel und Etiketten können Ihnen nützlich sein. Ihre Anschaffung macht jedoch nur dann Sinn, wenn Sie oft und viel säen. Eine kleinere Aussaat lässt sich gut auch ohne diese Utensilien bewerkstelligen.
Anleitung für die Aussaat
- Füllen Sie eine geeignete Aussaatschale bis etwa 2 cm unter den Rand mit Anzuchterde. Zerkleinern Sie grobe Erdklumpen mit der Hand.
- Verteilen Sie die gewünschte Anzahl Samenkörner gleichmäßig auf das Substrat.
- Bedecken Sie die Samen mit einer Schicht Anzuchterde. Diese sollte möglichst feinkörnig sein. Sieben Sie sie mit einem Sieb durch oder zerkrümeln Sie sie zuvor mit den Händen. Je feiner das Saatgut ist, umso dünner sollte diese Schicht sein.
- Damit die Samen besser an der Erde haften, sollte sie leicht angedrückt werden. Das geht am einfachsten mit einem speziellen Erdstempel. Doch es klappt auch mit einem einfachen Brettchen o. Ä.
- Befeuchten Sie die Erde. Verwenden Sie dafür unbedingt eine Sprühflasche, denn ein harter Wasserstrahl kann das Saatgut von seiner Position wegschwemmen.
- Decken Sie zum Schluss die Schale mit Maschendraht ab, damit Vögel keine Möglichkeit haben, das Saatgut aufzupicken.
- Stellen Sie die Pflanzschale nach draußen, wo die Samen über den Winter den notwendigen Kältereiz bekommen. Sie vertragen auch Frost und Schnee. In sehr rauen Lagen sollte der Platz geschützt liegen.
Kälteperiode im Kühlschrank
Statt im Freien, können Kühlkeimer ihre Kälteperiode auch im heimischen Kühlschrank bekommen. Das ist aus Platzgründen nur bei kleineren Aussaatmengen machbar. Auch besondere Samen können so unter kontrollierten Bedingungen keimen. Anders als in der Natur steht uns die Kälte im Kühlschrank das ganze Jahr über zur Verfügung. So kann bei Bedarf die Kälteperiode mitten im Sommer stattfinden.
- Samen in Anzuchtschale aussäen
- Plastiktüte darüber stülpen
- alternativ Samen in einer Tüte mit feuchtem Sand legen
- Saatgut durchgehend feucht halten
- regelmäßig auf Schimmel kontrollieren
- solange im Kühlschrank lassen wie es die Sorte erfordert
- Achtung: nicht in den Gefrierschrank stellen
Nach der Kälteperiode
Wenn die ausgesäten Samen eine ausreichend lange Kälteperiode hinter sich gebracht haben, ist es an der Zeit, dass aus ihnen neue Pflänzchen wachsen. Dafür ist aber Wärme notwendig. Wie warm und hell es bei der Keimung sein darf, hängt von der Sorte ab. Erkundigen Sie sich rechtzeitig über optimale Keimbedingungen, damit die Mühe mit der Keimbrechung nicht umsonst war. Ob die Keimung in einem Raum oder draußen im Freien erfolgt, ist abhängig von der Jahreszeit bzw. welche Temperaturen draußen herrschen.