Hässliche kleine Tiere mit vielen Beinen, vielen Menschen sogar ein wenig unheimlich – die muss man doch bekämpfen! Muss man wirklich? Nachfolgend werden Ihnen die Ohrwürmer und Ohrenkneifer etwas näher vorgestellt, was Ihre Sichtweise verändern könnte. Aber Tipps zum Loswerden der Ohrwürmer und Ohrenkneifer, von Stellen, wo sie nicht hingehören, gibt es natürlich auch.
Ohrwürmer sind harmlos und nützlich
Wenn Sie auch zu den Menschen gehören, denen in der Kindheit durch „spaßige Erwachsene“ versichert wurde, dass Ohrenkneifer in Ohren kneifen oder Ohrwürmer in Ohren (bis zum Gehirn) kriechen, werden Sie durch diesen Artikel vielleicht von einem Trauma befreit.
Die Namen Ohrwürmer bzw. Ohrenkneifer kommen daher, dass sich die Tierchen lange Zeit, von der Antike bis in die frühe Neuzeit, in einer mehr als merkwürdigen Art und Weise um die menschlichen Ohren verdient gemacht haben: Sie wurden zu Pulver gemahlen und schwerhörigen Menschen als Medizin verabreicht.
Ohrwürmer kriechen nicht in Ohren und Ohrenkneifer kneifen nicht in Ohren und getötet und gemahlen zu werden ist überhaupt kein sehr attraktives Lebensziel.
Die Ohrwürmer sind in Wahrheit harmlose Fluginsekten. Nur noch ein Teil der Arten kann wirklich fliegen. Viele Arten haben Flügel und Flugmuskulatur zurückgebildet und müssen jetzt laufen. Sie sind zwar mit Zangen (am Hinterleib, umgebildete Hinterleibsfäden) ausgestattet, nutzen diese aber hauptsächlich zur Flügelentfaltung, zur Begattung und zur Verteidigung und vielleicht noch zur Jagd auf winzige Insekten. Die bei uns heimischen Ohrwürmer sind ziemlich klein, mit einer Körperlänge um einen Zentimeter. Würmer sind die Ohrwürmer übrigens auch nicht. Dieser Name stammt von Nicht-Botanikern, die die Ohrwurm-Figur ziemlich wurmähnlich fanden.
Ohrwürmer halten sich gerne dort auf, wo es warm ist. Zum größten Teil ernähren sie sich von abgestorbenen Pflanzenteilen, „räumen also auf“ und „stellen Erde her“. Daneben jagen einige Arten auch noch kleinere Insekten. All das tun die Ohrwürmer gerne ganz in Ruhe in der Nacht oder Dämmerung. Tagsüber schlafen sie, in einer Baumrinde, unter einem Stein oder in einem anderen Versteck.
Unser heimischer „Gemeiner Ohrwurm“ gehört zu den Räubern und Allesfressern unter den Ohrenkneifer, der zu den wichtigen Nützlingen zählt. Es mag schon sein, dass er nach der Raupe auch mal eine Blüte anknabbert, aber viel mehr kann er dann schon nicht mehr anrichten. Härtere Schalen (Fruchthäute) schafft er nicht. Wenn er in Apfel oder Traube gesichtet wird, ist er durch eine vorhandene Schadstelle „eingewandert“. Die ebenfalls bei uns zu findende Sandohrwurm ist ein reiner Fleischfresser, der mächtig viele Schädlinge vertilgt. Ohrwürmer treten selten in Massen auf, sie vermehren sich nur einmal im Jahr.
Ohrenkneifer – besser feiern als bekämpfen
Für Menschen gibt es eigentlich genau so wenig Gründe, den Ohrwurm zu bekämpfen, wie es Gründe dafür gibt, ihn zu mahlen und in menschliche Ohren zu stecken. Im Besitz voller Lebens- und Jagdkraft ist der Ohrenkneifer für den Menschen sehr nützlich. Blattläuse zählen zu den absoluten Lieblingsgerichten der Ohrwürmer. Schmetterlingseier nimmt er auch gerne zu sich, und sogar Echte Mehltaupilze werden verspeist.
In einem naturnah bewirtschafteten Garten haben die Nützlinge deshalb einen hohen Stellenwert, der Naturgärtner „pflegt seine Ohrwürmer“. Er lässt sie nämlich im Zweifel gezielt für sich arbeiten. Finden die Blattläuse in einem Teil des Gartens so günstige Bedingungen vor, dass sie sich übermäßig vermehren, siedelt er dort einfach ein paar Ohrenkneifer an. Die kümmern sich dann um das Problem.
Ohrwürmer ansiedeln? Wie das geht? Ganz einfach, mit einer Ohrwurmfalle. Das ist ein strohgefüllter Ton-Blumentopf, der dort im Garten platziert wird, wo zuletzt Ohrenkneifer gesichtet wurden. Der Topf kann mit der Öffnung nach unten in die Pflanzen gehängt oder daneben platziert werden. Die Ohrenkneifer lieben solche dunklen und gemütlichen Verstecke für ihre Ausruhphase bei Tageslicht. Der Naturgärtner setzt die ganze Ohrwurm-Behausung dann mittags dorthin um, wo er die Einsatztruppe braucht.
Genauso geht er vor, wenn er ein „geballtes Siedlungsgebiet“ von Ohrenkneifern etwas entzerren möchte – er parkt die gesammelten Ohrwürmer in einer Pflanze, in der sie satt werden, ohne Schaden anzurichten, also in einer Pflanze, in der sich genügend Blattläuse aufhalten. Solche Pflanzen sind z. B. der Holunder (Sambucus nigra), der Hibiskus (Hibiscus syriacus), Schneeball (Viburnum opulus), Falscher Jasmin (Philadelphus coronarius) oder Rosen.
Wenn die Ohrwurmzahl nicht stimmt – Ausgleich schaffen
Wenn der Mensch bereits viel mit Chemie in die Garten-Ökologie hineingefummelt hat, gerät das Gleichgewicht zwischen Schädlingen und Nützlingen schnell einmal durcheinander.
Dann kann es passieren, dass die Blattläuse in Ihren Pflanzen ungehemmte Partys feiern, weil zu wenige Ohrwürmer in der Nähe wohnen. Dann sollten Sie am besten auf Ohrenkneifer-Suche gehen, anstatt sich über die Bekämpfung von Ohrwürmern Gedanken zu machen.
Es kann aber auch passieren, dass die Ohrwürmer Hunger leiden, z. B. weil Sie die Blattläuse sofort bei erster Sichtung bekämpft haben haben. Dann beginnen die Ohrwürmer, sich von Ihren Pflanzen zu ernähren. Sie können dann Löcher mit ausgefransten Rändern in den Blättern und Blüten finden, Ohrenkneifer selbst tagsüber nicht, die sind nachtaktiv.
Der intelligenteste Ansatz in dieser Situation wäre, die Ohrwürmer einfach weiter fressen zu lassen, der Schaden hält sich gewöhnlich in erträglichen Grenzen, und darauf zu hoffen, dass sich im Garten wieder ein natürliches Gleichgewicht einpendelt.
Die nächste Idee wäre, die Ohrenkneifer wie schon geschildert umzusetzen, insgesamt ist es auf jeden Fall besser für Ihren Garten (und Sie), wenn Sie die Neigung zum schnellen Griff zur Giftkeule bekämpfen, als wenn Sie die Ohrwürmer bekämpfen.
Ohrenkneifer-Invasion – Tipps zum Loswerden
Wenn Sie in einem von Wohnräumen begrenzten Umfeld Pflanzen halten, die besonders gerne von Ohrwürmer angeknabbert werden, können sich die kleinen Tierchen schon einmal übermäßig vermehren. Pflanzen, die besonders oft von Ohrwürmern besucht werden, sollen z. B. Clematis, Trompetenblumen (Campsis), Trompetenbäume (Engelstrompeten, Brugmansia) und Dahlien sein. Sicher gibt es noch mehr Ohrwurm-Leckerbissen. Außerdem bestimmt nun einmal auch das Angebot die Nachfrage.
Auch hier ist es eigentlich nicht notwendig, besondere Maßnahmen zur Bekämpfung der Ohrenkneifer zu ergreifen. Es ist kein größerer Schaden zu erwarten.
Wenn sich in der Nähe des Wohnumfelds ein Ohrenkneifer-Nest angesiedelt hat, kann es durchaus passieren, dass Sie einmal eine Horde Baby-Ohrenkneifer aufschrecken, die dann panisch in alle Richtungen losrennen. Auch wenn Sie zu den Menschen gehören, denen die Ohrwürmer optisch nicht sehr sympathisch sind – tun werden sie Ihnen rein gar nichts. Es gibt keinen Grund, hysterisch auf den nächsten Stuhl zu springen.
Erst Recht keinen Grund, Balkon oder Terrasse mit irgendwelchen giftigen Substanzen zu überziehen. Am besten stellen Sie in einem solchen Fall eine richtig schöne Ohrenkneifer-Falle auf (einen umgedrehten Tontopf mit Stroh, Holzwolle oder Heu), ein Bündel Reisig, das an der Brüstung aufgehängt wird, sogar ein Bund Lavendel soll den Ohrwürmern als Versammlungsort auch angenehm sein. Ohrwürmer sollen auch ziemlich gesellig sein und gerne vereint in ein Ohrwurm-Häuschen einziehen. Diese Falle können Sie dann tagsüber in die nächste Naturfläche tragen, oder einem Nachbarn schenken, der seine Blattlaus-Plage nicht in den Griff bekommt.
Ohrwürmer chemisch bekämpfen?
Eigentlich nach dem gerade Geschriebenen klar, aber hier noch einmal ausdrücklich: Nein!
Im Verzeichnis der im Haus- und Kleingarten zugelassenen Pflanzenschutzmittel ist eine Leimschranke an Steinobst-Bäumen zugelassen, um den Gemeinen Ohrwurm zwei Mal im Jahr dran zu hindern, den Baum zu erklimmen. Aprikosen sind nämlich weich genug für ihn, er schlägt sich sowohl an den zarten Blüten als auch an den gerade reifenden Früchten gerne einmal so richtig den Bauch voll. Das können Sie ihm gönnen, Sie dürfen ihn aber auch mit dem Rampastop Baumleim daran hindern, ist keine schlimme Chemie, nur ein Baumwachs.
Sonst dürfen Sie nichts gegen Ohrwürmer einsetzen, unter Androhung hoher Geldbußen bei Verstößen, der Gesetzgeber ist der Meinung, dass wir die Nützlinge in unserer Naturwelt brauchen.
Es hätte wahrscheinlich auch gar nicht allzu viel Sinn, wer knapp 200 Millionen Jahre überlebt hat (dazu siehe gleich unten), ist sicher nicht ganz so schnell auszurotten.
Mehr Wissenswertes über Ohrwürmer
Dass die Ohrwürmer wegen ihres Aussehens vor allem von nicht sehr naturverbundenen Menschen so gerne gedisst werden, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ihre Gestalt tatsächlich archaisch ist. Wir wissen heute, dass die Ohrenkneifer unsere Erde seit dem Jura-Zeitalter bevölkern. Damals, also vor rund 175 Millionen Jahren, galten „modisch“ eben noch andere Maßstäbe.
Den Menschen gab es damals noch nicht, aber das älteste bekannte Säugetier, der Hadrocodium wui. Vielleicht ist hier der Grund der menschlichen Urangst vor dem Ohrenkneifer zu suchen. Eer Hadrocodium wui war sehr klein, etwa so groß wie eine Büroklammer, er war das übliche Futter ohrwurmähnlicher und anderer, im Vergleich hausgroßer Tiere.
Wenn Sie diese Urangst auffrischen möchten, zum Beispiel in einem Monster-Film, werden Sie mit unseren Ohrwürmchen nicht mehr weit kommen. Sie könnten auf die Suche nach dem St.-Helena-Riesenohrwurm gehen. Der stattliche 8 bis 9 cm lang wurde und seit längerer Zeit als „verschollen“ gilt (nicht auffindbar, aber nicht sicher ausgestorben).
Ansonsten gibt es von den wissenschaftlich auf den Name Dermaptera hörenden Insekten rund 1800 bekannte Arten auf der Erde. Sie werden in drei Gruppen eingeteilt:
- Forficulina = bei uns vorkommenden Arten: Gemeine Ohrwürmer, Sandohrwürmer, Gebüsch-, Zweipunkt-, Wald-, Zwerg- und Südliche Ohrwürmer
- Arixeninae leben auf Malaysia und den Philippinen:
- ausschließlich in der Nähe von Fledermäusen oder auf ihnen
- sie nutzen die Fledermäuse gerne für Transportzwecke
- Hemimerina leben nur auf Riesenhamsterratten (Cricetomys) in Afrika und von deren Hautpilzen und -schuppen
Fazit
Ohrwürmer sind alles andere als gefährlich. Sie sind wirklich nützlich. Wenn man sich ihnen einmal mit anderen Augen nähert, können sie sogar ziemlich spannend sein. Auf jeden Fall ist ein Ohrkneifer viel eher Ihr Freund als Ihr Gegner. Wenn er Sie stört, zieht er gerne dahin um, wo Sie ihn haben möchten.