Gartengestaltung Rasen

Rasen richtig vertikutieren: Anleitung | Ist es sinnvoll?

Rasen vertikutieren

Vertikutieren gehört zum schönen Rasen – das hat jeder Gärtner schon gehört. Ist das wirklich so, oder kann sich ein Teil der Gärtner guten Gewissens vom Vertikutier-Mythos verabschieden? Genau das klärt dieser Artikel.

Was bedeutet eigentlich vertikutieren?

Vertikutieren kommt vom englischen „vertical“ und „cut“, auf Deutsch „senkrecht“ und „schneiden“, auf französisch heißt das Pflugmesser „coutre“. Vertikutieren heißt also nichts anderes als „senkrechtes Schneiden“, und genau das tun Sie beim Vertikutieren. Sie schneiden in den Rasen, mit einem Messer und in eine Tiefe von einigen Millimetern.

Besser gesagt, das tun Sie Ihrem Rasen an. Wenn Sie in den Rasen schneiden, schneiden Sie immer auch in die Wurzeln. Das mag eine Pflanze eigentlich eher nicht. Diese Behauptung wird schnell verständlich, wenn Sie sich einmal vor Augen führen, wie ein gesunder und schöner Rasen entsteht und im Wurzelbereich zusammengesetzt ist.

Wie wächst ein Rasen?

Wiese - Rasen - Gras

Bei Rasenpflanzen handelt es sich um Gräser. Auf jedem Rasen wächst nicht nur ein Gras, sondern mehrere, die sich in ihrem jeweiligen Eigenschaften unterstützen und ergänzen. Die meisten Rasensaatgutmischungen haben dieselbe Grundlage: Einen Dreiklang aus Deutschem Weidelgras und Rot-Schwingel mit ein wenig Wiesen-Rispengras (je nach Rasensorte in unterschiedlichem Verhältnis und durch weitere Gräser ergänzt). Deutsches Weidelgras wächst horstig (in Horsten, horstbildend), Rot-Schwingel wächst horstig und rasig (rasenförmig, rasenbildend), Wiesen-Rispengras wächst locker rasig.

Beide Wuchsformen machen für den Botaniker einen Unterschied. Für die Entstehung eines schönen Rasens nicht: Ein horstbildendes Gras entwickelt viele, meist aufrecht stehende Triebe eng nebeneinander, indem es sich an der Basis verzweigt. Je mehr der Wuchs als horstig und je weniger als rasig bezeichnet wird, desto kürzer sind die Ausläufer, die das Gras zur Vermehrung bildet. Im idealtypischen Horst würden sich die jungen Seitentriebe ausschließlich in den Blattscheiden des Muttertriebes entwickeln. Der Ideal-Horst wüchse also einfach als immer dickerer und dichterer Büschel an einer Stelle vor sich hin. Bei der rasenförmigen Wuchsform wachsen ebenfalls dicht beieinander neue Triebe. Die Gräser vermehren sich aber laufend zu den Seiten hin, indem sie über unterschiedlich lange Sprossachsen oder Rhizome das Gelände erobern. Weil aber auch die horstig wachsenden Gräser sich seitlich ausbreiten wollen, wachsen sie nie ganz rein horstig, sondern mehr oder weniger rasig.

Dabei wurzeln diese Gräser ziemlich flach unter dem Boden. Pfahlwurzeln zur Verankerung in der Tiefe kennen sie nicht. Jede Wurzel bildet am Grund des Stängels und an ihren Ausläufern nun weitere Wurzeln, diese bilden Seitenwurzeln. So entwickelt eine Gemeinschaft vieler Graspflanzen auf dem Rasen in „konstruktiver Zusammenarbeit“ ein sehr kunstvolles Gebilde – ein Wurzelsystem, in dem die Wurzel einer einzelnen Graspflanze eine beachtliche Länge erreichen kann (Rot-Schwingel: 250 Meter im Umkreis). Da sich jedoch jede einzelne Graspflanze ausbreitet, ist dieses Wurzelsystem vielfach ineinander verschränkt und stützt sich gegenseitig. Die Konkurrenzen unter den Gräsern werden vermittelt, sodass jedes einzelnes Gras seinen Lebensraum bekommt. Der Bewuchs bildet einen in sich geschlossenen Pflanzenbestand und bekommt durch Verschränkung der Wurzeln einen festen Zusammenhalt.

Wiese Gras

Dieser komplex zusammenhängende Bewuchs, mit dem die Gräser den Boden bedecken, nennt man Grasnarbe. Eine sauber aufgebaute und geschlossene Grasnarbe ist so etwas wie der „Heilige Gral des Landschaftsgärtners“. Unter dieser Grasnarbe beginnt bei der gesunden Rasenfläche das Bodenleben. Eine reichhaltige Bodenflora, Bakterien, Tausendfüßler und Regenwürmer sorgen dafür, dass das Gleichgewicht und damit der Zusammenhalt erhalten bleiben. Wenn das Bodenleben gestört wird, oder wenn der Zusammenhalt durch mechanische Maßnahmen beeinträchtigt wird, kann die Grasnarbe abreißen. Eine gut zusammenhängende Grasnarbe ist auch der Grund, warum wir für schnelle Belastungsfähigkeit teuren Rollrasen kaufen. Der hat zumindest schon eine Grasnarbe von rund 2 cm Stärke (für den Profi-Bereich gibt es Rasenziegel mit Grasnarbe um 8 cm).

Wenn man sich diese Wuchsform eines gesunden und belastungsfähigen Rasens einmal vor Augen führt, erscheint es um so erstaunlicher, dass es für einen schönen Rasen förderlich sein soll, diesen Wurzelzusammenhalt immer wieder zu zerschneiden.

Muss ein Rasen überhaupt vertikutiert werden?

Hinweis: Im Privatgarten ist die Antwort entsprechend der Logik des gerade Angeführten für die allermeisten Fälle ein deutliches NEIN!

Die Profis kümmern sich um Rasen auf dem Golfplatz oder im Fußballstadion, also um Rasen, der durchgehend belastbar und bei jedem Wetter bespielbar bleiben muss. Die Qualität der Grasnarbe muss hinter diesen Anforderungen zurückstehen. Die erforderliche Belastbarkeit und Wasserdurchlässigkeit kann man nur erreichen, wenn die Rasentragschicht (die Wachstumsschicht) zu großen Teilen aus Sand besteht. Eine typische Wachstumsschicht eines Stadionrasens besteht aus 90 Prozent Sand und 10 Prozent sandigem Mutterboden. Das ist ein fast steriler Boden ohne nennbares Bodenleben, pflanzenfeindlich und mager. Jeder gestandene Landwirt würde weinen, wenn sein Boden so aussähe. Aber er lässt sich prima mähen und ist außerordentlich wasserdurchlässig. Regen versickert also sehr gut.

Rasen vertikutieren

Damit sich auf einem solchen Boden aber überhaupt ein Grashalm zeigt, und dann auch noch in einer Dichte, die wie Rasen aussieht, müssen ihm Spezialisten andauernd sehr spezielle Pflegemaßnahmen angedeihen lassen. Und da wären wir angekommen: Beim Vertikutieren, das die behutsame Arbeit der Bodenorganismen durch einen mit Messern bewaffneten Angriff auf den Rasen ersetzt, denn wo kein Bodenleben existiert, werden auch keine Pflanzenreste abgebaut. Diese Behandlung des Rasens beschädigt diesen beträchtlich, deshalb ist es mit dem Vertikutieren noch lange nicht getan. Einem solchen Rasen müssen auch noch laufend neuer Sand und Nährstoffe zugeführt werden. Vor allem muss auch laufend nachgesät werden.

Im Privatgarten zwingt Sie jedoch niemand, wie Mackie Messer auf Ihren Rasen loszugehen. Eine Stunde „Rasen schlitzen“ in mehr als anstrengender Handarbeit mag Ihnen zwar dabei helfen, Aggressionen abzubauen, aber Ihrem Zierrasen wird es nicht nutzen, egal, wie oft Sie auf Ihren Rasen losgehen. Sie stören mehrere Funktionsmechanismen eines gesunden Rasenverbandes, was Sie wahrscheinlich eigentlich nicht möchten.

  • Sie wollen eigentlich nicht, dass jedes Hälmchen, das beim Mähen auf dem Rasen landet, zur Verfilzung des Rasens beiträgt. Sondern Sie möchten eigentlich, dass unter Ihrem Rasen ein gesunder Boden liegt, in dem viele Bodenorganismen ganz ohne Ihre Einmischung den Rasenfilz abbauen. Ein bisschen lockerer Rasenfilz, so etwa ein Zentimeter, wird während des Abbauprozesses entstehen, aber das soll so sein. Dieser Filz ist wichtig für den Verbund der Grasnarbe.
  • Sie möchten eigentlich auch nicht, dass das Regenwasser einfach durch die Wurzeln Ihres Rasens in tiefere Schichten durchläuft, ohne dass die Wurzeln ausreichend Wasser aufnehmen können. Sondern Sie möchten, dass Ihr Rasen bei jedem Regen im Wurzelbereich so richtig viel Flüssigkeit aufnimmt.
  • Rasen vertikutieren Sie möchten eigentlich auch nicht, dass die Wurzeln und die frisch austreibenden Halme Ihrer Rasenpflanzen in regelmäßigen Abständen von einer ganzen Reihe Messer aufs übelste zerschnetzelt werden. Sondern Sie möchten, dass jede einzelne Graspflanze sich so gut wie möglich entwickelt, damit sie mit ihrem Nachbarn ein Existenzgleichgewicht finden kann und damit alle zusammen möglichst bald das wunderbare Geflecht ausbilden, das man „Grasnarbe“ nennt.
  • Sie möchten eigentlich auch nicht, dass sich in Ihrem Rasen jede Menge Unkraut ansiedelt, weil die Gräser durch die fortlaufenden Attacken derart geschwächt sind, dass sie den fremden Eindringlingen keinen Widerstand entgegenzusetzen haben.
  • Sie möchten diese Ansiedlung rasenferner Gewächse eigentlich nicht auch noch begünstigen, indem Sie ihnen so richtig Platz im Rasen freischaufeln. Genau das tun Sie aber, wenn Sie den Rasen vertikutieren und anschließend mit der Harke alles herausreißen, was sich gerade noch halb am Boden festkrallt.
  • Sie wollen eigentlich nicht, dass die Pflanzenatmung, die im Gegensatz zur menschlichen Atmung nicht über Luft, sondern über Licht (Photosynthese) funktioniert, durch Ihre Rasenpflegemaßnahmen gestört wird. Genau das tun Sie aber, wenn Sie mit der Idee, dass Ihr Rasen Luft braucht, vertikutieren und dabei Wurzeln und Halme beschädigen. Die Rasenpflanze muss nun erst einmal diese Beschädigungen reparieren, der Stoffwechsel leidet.

Wenn Sie all das also nicht möchten, lassen Sie Ihren Zierrasen doch um Gottes Willen einfach in Ruhe (wachsen)! Wenn Ihr Rasen angemessene Bedingungen vorfindet, können Sie sich darauf beschränken, regelmäßig und immer nur ganz wenig mit dem Rasenmäher abzuschneiden. Das bleibt dann einfach auf dem (ruhig 5 cm langen) Rasen liegen, und Ihr Rasen wird ganz von alleine immer schöner und dichter.

Vertikutieren als begleitende Pflege

Ein gesunder Rasen entsteht jedoch nur auf einem gesunden Boden, mit genügend Bodenorganismen darin, und genügend Nährstoffen. Viele Gartenböden wurden in der Vergangenheit in einer Weise behandelt, die dem Nährstoffgehalt und dem Bodenleben stark geschadet hat. Überdüngen, zu viel und zu tief Vertikutieren und vieles mehr. Hier ist also zunächst eine Bodensanierung bzw. gründliche Bodenverbesserung erforderlich, die dauert.

Garten Gras

Dann dauert es vielleicht auch eine Weile, bis sich im Rasen das oben beschriebene Gleichgewicht einpendelt und der alte Spruch wieder gilt: Die Grasnarbe wächst alleine zum schönen, dichten Rasen. In der Zwischenzeit können Sie Ihrem Rasen helfen. Durch regelmäßiges Einharken von feinem Kompost, und auch durch Vertikutieren zu Beginn der Hauptwachstumszeit. Das stresst den Rasen zwar sehr, aber regt auch das Wurzelwachstum an. Sie müssen dann nur im oberen Bereich mit einem nicht sehr dichten Rasen rechnen. Wenn Sie es übertrieben haben, werden die betroffenen Flächen absterben.

Steriler Sportrasen gewünscht?

Vielleicht lesen Sie ja diesen Artikel, weil Sie auf Ihrem Grundstück den Rasen anlegen möchten, auf dem demnächst die Spiele der Kreisliga ausgetragen werden sollen (oder für die Pflege dieses anderswo gelegenen Rasens zuständig sind). Dann können und müssen Sie Vertikutieren, aus folgenden Gründen:

  • Rasen, der immer belastbar und bespielbar sein soll, wächst auf einer sogenannten Tragschicht aus viel Sand und wenig sandigem Oberboden (90 zu 10).
  • Wie diese Tragschicht aussehen muss und welchen Saatgut Sie benutzen dürfen, ist für wirklich professionelle Anwendungen in der DIN 18035-4 geregelt.
  • Ein solcher Sportrasen ist sehr gut wasserdurchlässigen und sehr schnittfest, wächst aber auf einem fast sterilen Boden.
  • Er wird durch Bespielen mit Stollenschuhen zusätzlich verfilzt, indem Gräser in den Boden gerammt werden, dieser Filz wird ziemlich hart.
  • Da unter diesem Rasen kaum Bodenleben ist, würde sich aber noch nicht einmal der natürliche Rasenfilz ausreichend abbauen.
  • Deshalb braucht er dauernd Pflege, in den nacheinander folgenden Schritten: Vertikutieren, Sand unterbringen, Nachsäen, Düngen.
  • Beim Vertikutieren wird der Filz entfernt, der Sand stellt den Wasserdurchlauf wieder her und lockert den Restfilz.
  • Dann schließt man die beschädigte Grasnarbe durch Nachsaat wieder und stärkt das Gras durch düngen.

Anleitung zum Vertikutieren

Ob Sie einen Sportrasen mit dem elektrischen Vertikutierer befahren oder Ihrem kleinen Rasen vor der Haustür mit einem Hand-Vertikutierer auf die Sprünge helfen, das Prinzip ist immer gleich:

  • Rasen vertikutieren Sie fahren mit einer Messerwalze über den Rasen, die den Rasen in regelmäßigen Abständen einschneidet
  • Die Tiefe wird je nach Zweck gewählt. Um das Wurzelwachstum anzuregen, reicht es, den zu viel entstandenen Filz bis in eine Tiefe von ca. 5 Millimetern aufzuschneiden.
  • Wenn ein Sportrasen nicht gepflegt wurde und so richtig fest verfilzt ist, werden Sie meist etwas tiefer vertikutieren, um die Wasserdurchlässigkeit wieder herzustellen.
  • Den durch das Vertikutieren in Teile geschnittene Rasenfilz muss man nun durch kräftiges Abharken mit einer stabilen Harke entfernen
  • Vertikutieren Sie am besten zu Beginn des hauptsächlichen Rasenwachstums, dann kommt der Rasen mit dem Stress am besten zurecht
  • Vorher schneidet man den Rasen kürzer als sonst, auf etwa 3 mm. Der Boden sollte nicht zu feucht sein, sonst bleiben beim Abharken schnell ganze Grasnarben in der Harke
  • Nach dem Vertikutieren wird nachgesät, und wenn sich die neue Saat zeigt, auch gedüngt.

Erfahrungen 

Meine Erfahrung ist es, dass regelmäßiges Düngen und Mähen zu einem nachhaltig dichten und schönen Rasen führt. Diese wesentlichen Nachteile habe ich beim Vertikutieren erlebt:

  • Vertikutierte Flächen trocknen schneller aus.
  • Klee und andere Unkräuter können sich besser verbreiten.
  • Rasen benötigt Wasser und Zeit, um sich vom Eingriff zu erholen

Stattdessen düngen und mähen wir regelmäßig (je nach Wachstumsphase nach ca. 5-7 Tagen). Der Rasen sieht bereits im zeitigen Frühjahr saftig grün aus, wächst dicht. Unkräuter wie Löwenzahn kann man durch häufiges Mähen dezimieren. Klee muss man entfernen. Keine Eisendünger verwenden! Rasen ist widerstandsfähiger und kommt besser über den Winter.

Tipp: Auch wenn es schwer fällt: verabschieden Sie sich vom Vertikutieren. Lassen Sie es auf einen Test ankommen.

Fazit
Wenn Sie einen wirklich schönen Zierrasen möchten, der ohne viel Arbeit dicht und kräftig wächst, ist das Vertikutieren nur eine möglicherweise unterstützende Maßnahme auf dem Weg dorthin. Kein echter englischer Rasen hat je einen Vertikutierer gesehen. Dieses ständige Beschädigen der Grasnarbe gehört eigentlich in den Profi-Bereich, in dem der Rasen ganz anderen Anforderungen genügen muss als in den meisten Privatgärten.