Wenn Sie diesen Artikel lesen, weil Sie das Streben nach einem „grünen Daumen“ endgültig in die Wüste geschickt haben, brauchen Sie wahrscheinlich eine Anregung zum Umdenken: Nicht ein türkiser Daumen ist schuld, wenn Pflanzen „rumzicken“ , sondern der (böse) Markt – der von Menschen gemacht wird, gewöhnlich von gierigen oder bequemen Menschen, wenn etwas schief läuft. Der Gärtnerei-Fachbetrieb um die Ecke, der gesunde Pflanzen samt genauer Pflegeanleitung verkauft, liegt in den letzten Zügen, während die global arbeitende Pflanzenindustrie in Massen kaum überlebensfähige Pflanzen produziert, samt Zubehör, um diese Pflanzen wenigstens eine Weile am Leben zu erhalten. Es geht anders. Hier erfahren Sie alle wichtigen Infos zum robusten Pflanzen fürs Zimmer und für den Balkon.
Pflanzenleben unter widrigen Umständen
Viele Verbraucher kaufen Pflanzen der oben beschriebenen Art, sind ja schön billig (stimmt meist gar nicht), und versuchen sie unter widrigsten Umständen und ohne viel Information über Pflanzen und Gärtnern am Leben zu erhalten. Dieser Fehlentwicklung haben engagierte Verbraucher bereits erste Grenzen gesetzt, es gibt heute FFP- und MPS-Zertifizierungen für den Pflanzenhandel (Zertifikate für nachhaltige Produktion, Umweltfreundlichkeit und sozialverträgliche Arbeitsbedingungen), aber trotzdem:
Pflanzen im Zimmer leben immer unter widrigen Umständen – Pflanzen entwickeln sich in der freien Natur und leben von Photosynthese, und dazu brauchen sie Wasser und Licht, Licht von einer bestimmten Intensität.
Die Lichtintensität, mit der wir und die Pflanzen bestrahlt werden, nennt man Beleuchtungsstärke (= Lichtstrom in Lumen auf Fläche in m2), die Einheit für diesen Wert aus lm/m2 heißt Lux (lx). Um die Beleuchtungsstärken um uns herum etwas besser greifbar zu machen, hier ein kleiner Vergleich:
- An einem hellen Sonnentag werden Pflanzen mit Sonnenstandort im Garten mit 100.000 lx bestrahlt, im Schatten bekommen sie auch im Sommer nur noch 10.000 lx ab.
- An einem bedeckten Sommertag müssen sie im Freien mit 20.000 lx auskommen, an einem bedeckten Wintertag sind es nur noch jämmerliche 3.500 lx.
- Richtig fürchterlich wird es aus Sicht der Pflanze im Wohnraum: Durchschnittliche Beleuchtung im Büro 500 lx, im gemütlichen Wohnzimmer 50 lx.
Viel Theorie, deren Grund Sie gleich verstehen werden, weil sich nämlich aus diesen Werten viel erklärt:
- Pflanzen senken die Photosyntheserate bei sinkender Lichtintensität, bis zu einem je nach Pflanze unterschiedlichen Lichtwert, bei dem nichts mehr geht.
- Unsere Zimmerpflanzen sind immer in Gefahr, diesen Wachstumsstreik-Lichtwert im Winter zu erreichen, wie der Vergleich von 100.000 lx in der Gartensonne zu 50 lx im winterlichen Wohnzimmer nahe legt.
- Das erklärt, warum so manche Zimmerpflanze trotz heftigster Pflege-Anstrengungen in unseren Wohnräumen dauerhaft vor sich hin schwächelt.
- Es erklärt auch, warum empfohlen wird, Zimmerpflanzen im Sommer möglichst ins Freie zu stellen.
- Nur so können sie genug Kraft tanken, um einen deutschen Winter zu überleben …
- Tropische Gäste aus Gebieten im Äquatorgürtel können ganz andere Lichtintensitäten als bei uns gewohnt sein.
- Wenn diese Pflanzen daheim in der Sonne wachsen, ist bei uns Dunkeltuten für sie
- Besser überleben Exoten, die daheim den Boden des Regenwalds besiedeln
- Deshalb ist es abseits von den unten vorgeschlagenen Arten wichtig, bei Exoten immer genau die heimatlichen Wuchsumstände zu erkunden
Robuste Zimmerpflanzen aus unserer Heimat
Einheimische Pflanzen sind am besten an die heimische Umwelt angepasst und können deshalb auch unter widrigen Bedingungen am besten überleben. Angesichts des üblichen Angebots im Pflanzenhandel erscheint die Idee von „einheimischen Zimmerpflanzen“ abwegig.
Die Kultur einheimischer Zimmerpflanzen hat einen weiteren Vorteil: Wenn eine Pflanze mit der geringen Lichtintensität nicht zurechtkommt, fährt sie nicht einfach nur ihre Photosyntheserate herunter, sondern beginnt mit dem Gegenteil, nämlich selbst zu atmen – und damit, Sauerstoff zu verbrauchen anstatt zu erzeugen. Wenn Sie Zimmerpflanzen halten, um die Luft in Ihren Wohnräumen zu verbessern, wäre es deshalb eigentlich eine bessere Idee, nur einheimische Zimmerpflanzen zu kultivieren, die schon mit wenig Licht Photosyntheserate betreiben können, als lichthungrige Exoten, die im Zweifel die Luft sogar verschlechtern.
Allerdings hat die Kultur von einheimischen Zimmerpflanzen einen Haken: Von den einheimische Pflanzen gibt es nicht sehr viele, die das ganze Jahr eine gute Figur im Zimmer machen. Die typische Pflanze bei uns hat sich an die Lichtarmut im deutschen Winter angepasst und lässt ihre Blätter im Winter aus diesem Grund fallen – tolle Idee, macht aber im Zimmer nicht viel her. Einheimische überleben im Winter im Zweifel nur dann, wenn Sie Ihnen ein kühles Quartier bieten können, und auch da nicht einmal immer.
Deshalb bevölkerten nach und nach immergrüne Exoten unsere Wohnzimmer. Spätestens seit die Zentralheizungen Mitte des 20. Jahrhunderts flächendeckend Kohleöfen ablösten und deshalb die Auswahl an Zimmerpflanzen nicht mehr auf widerstandsfähige Einheimische beschränkt war, zogen Azaleen und Begonien, Fuchsien und Pantoffelblumen, Palmen und mehr ein.
Aber dennoch – wenn Sie Ihren Blick nicht mehr auf die „typische Zimmerpflanze“ beschränken, wird Ihre Auswahl an robusten Pflanzen schon ein gutes Stückchen größer. Hauptsache, Sie machen sich von Vorgaben frei, die nicht zu Ihrem Wohl, sondern aus kommerziellen Interessen gegeben werden. Mit den Einheimischen können Sie ohne drohende finanzielle Verluste frei herum experimentieren, indem Sie sich umsonst Stecklinge besorgen oder in Baumschulen Cent-Beträge für kleine Pflanzen bezahlen.
Robuste Zimmerpflanzen brauchen keine Chemie
Robuste Pflanzen am richtigen Standort (die Anfänger unter dem Zimmergärtnern werden diesbezüglich in der Gärtnerei gerne beraten) wachsen zu kräftigen Zimmerpflanzen heran, die nur selten von Blattlaus und Co. befallen werden.
Wenn es doch mal passiert, kommen Sie gegen die paar Blattläuse gewöhnlich mit der Dusche und einem Pflanzenstärkungsmittel an, mit robusten Zimmerpflanzen können Sie also die Giftcocktails der Pflanzenschutzmittelindustrie im (nicht ohne Grund abgeschlossenen) Regal stehen lassen.
Was die eigentliche Motivation sein könnte, sich robuste Pflanzen anzuschaffen, denn die chronischen Krankheiten unserer Zeit werden zunehmend mit dem unkritischen Umgang mit Chemie in Verbindung gebracht. Hier ein paar Zitate aus der Gefahrstoff-Kennzeichnung der für Anwendung im Zimmer zugelassenen Fungizide: Difenoconazol „verspricht“ Lebensgefahr beim Einatmen, Myclobutanil schwere Augenschäden, bei Tebuconazol steht „kann vermutlich das Kind im Mutterleib schädigen“, Trifloxystrobin soll sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung sein, alles nur Auszüge neben vielen anderen Gefahren. Für die Insektizide wird Ihnen die Aufzählung erspart, aber die Gefahrstoff-Kennzeichnungen sind nicht weniger erschreckend.
Nun zu den Zimmerpflanzen-Sorten, bei denen Sie solche Mittel nicht brauchen:
Robuste Zimmerpflanzen – Sorten
Nicht alle natürlich, aber genug Anregung, um viele Räume zu begrünen:
1. Unter den einheimischen Pflanzen gibt es einige, die Sie sich ins Zimmer stellen können, auch in unseren Breiten haben sich nämlich einige immergrüne Pflanzen entwickelt:
- Abies nordmanniana, Nordmannstanne, kann nicht nur zu Weihnachten als kleiner Baum im Zimmer gehalten werden
- Asarum europaeum, Haselwurz, immergrüne Kleinstaude mit glänzend dunklen Blättern
- Buxus sempervirens, Buchsbaum
- Cotoneaster salicifolius, Weidenblättrige Felsmispel
- Epimedium, Elfenblume, zum Teil immergrün
- Euonymus fortunei radicans, Immergrüne Kriechspindel, kann sogar zur „grünen Wand“ wachsen
- Herera helix, Efeu, eine unserer ältesten Zimmerpflanzen, dekorativ in Ampeln
- Ilex aquifolium, Stechpalme
- Lavandula angustifolia, Echter Lavendel
- Ligustrum vulgare, Gewöhnlicher Liguster
- Lonicera, Geißblatt, Myrte, viele der 180 Sorten sind auf der Nordhalbkugel heimisch
- Mahonia aquifolium, Gewöhnliche oder Stechdornblättrige Mahonie
- Matteuccia struthiopteris, Straußenfarn
- Picea abies, Rotfichte, und andere Picea
- Photinia fraseri, Glanzmispel
- Pyracantha coccinea, Mittelmeer-Feuerdorn
- Rhododendron tomentosum, Sumpfporst, und andere immergrüne Rhododendren
- Sedum, Fetthenne
- Vaccinium myrtillus, Blaubeeren, Heidekrautgewächs
- Vinca minor, Kleinblättriges Immergrün
- Waldsteinia, Waldsteinie, kleine immergrüne Rhizomstaude
Bei all diesen Pflanzen kann es zum Problem werden, dass sie einen Winter mit kalten Temperaturen gewöhnt sind. Ob sie ohne „echte Winterkälte“ auskommen, lohnt sich jedoch unbedingt auszuprobieren, wenn Sie ein neues Leben mit robusten Zimmerpflanzen anstreben.
Zimmerpflanzen mit Nutzwert
Ein ganz eigenes Feld potenzieller robuster (nicht unbedingt einheimischer) Pflanzen nehmen die Kräuter und Co. ein. Wenn Sie sich ohnehin gerade mit dem geistigen Experiment beschäftigen, Ihre Zimmerpflanzen selbst und nach ganz eigenen Kriterien auszusuchen, könnten Sie durchaus auch noch diesen Schritt gehen, er könnte Ihr Wohlbefinden und Ihre Gesundheit steigern. Viele unserer üblichen Gewürz-Kräuter gedeihen gerne in unseren Wohnräumen, auch hier tut das Experimentieren meist nicht wirklich (finanziell) weh, hier ein paar Anregungen für Erntegrün im Topf:
- Allium schoenoprasum, Schnittlauch
- Laurus nobilis, Lorbeer, ist eine überraschend dekorative Topfpflanze, und auch beim Kochen überrascht das Aroma frischer Lorbeerblätter
- Lepidium sativum, Kresse
- Mentha, Minze
- Ocimum basilicum, Basilikum
- Petroselinum crispum, Petersilie
- Plectranthus amboinicus, Jamaika-Thymian, soll sehr genügsam sein
- Rosmarinus officinalis, Rosmarin
- Salvia, Salbei
- Satureja montana, Winter-Bohnenkraut
- Thymus vulgaris, Thymian
- Vaccinium macrocarpon, Cranberry, Moosbeeren, eine Art Heidekraut mit gesunden, essbaren, wie Preiselbeeren einsetzbaren Beeren.
Auch die Kultur von Kräutern als Zimmerpflanzen ist ungewöhnlich – aber in Zeiten von Urban Gardening und dem Gefühl, weder der Lebensmittelindustrie noch der pharmazeutischen Wirtschaft wirklich vertrauen zu können, sicher alles andere als unlogisch.
Von den schon teilweise in der Fremde beheimateten Kräutern nun zu den Gästen, die aus einer wärmeren Heimat kommen und sich in beheizten Räumen zu Hause fühlen:
Unkomplizierte Fremdlinge unter den Zimmerpflanzen
Es gibt einige Zimmerpflanzen, die zwar nicht einheimisch, aber nicht totzukriegen sind, sogar an ungünstigen Standorten:
- Sanseveria, Bogenhanf
- Chlorophytum, Grünlilie, wachstumsfreudig bei wenig Wasserverbrauch, luftverbessernd
- Dracaena, Drachenbaum
- Epipremnum aureum, Efeutute, anspruchslose Rankpflanze auch für fast schattige Plätze
- Ficus elastica, Gummibaum
- Stephanotis floribunda, Kranzschlinge, bietet üppig grüne Ranken, Blüten, hat wenig Ansprüche
- Ysander, Dickmännchen
- Yucca, Palmlilie, das ist die Pflanze, die auch Yuccapalme genannt wird
- Zamioculcas zamiifolia, Zamie, Glücksfeder, ziemlicher neuer Geheimtipp von vorbildlicher Anspruchslosigkeit
Wenn diese anspruchslosen fremden Gäste groß werden, leiden sie oft unter zu geringer Lichtintensität leiden. Wenn Sie sich gerade deshalb für robuste Zimmerpflanzen interessiert haben, weil Sie keinen Balkon oder keine Kräfte/keine Lust zum großen Pflanzenumzug auf den Balkon haben, könnten Sie sich in diesem Fall nach einer Pflanzenlampe umsehen. Bei richtiger Auswahl können Sie ein lieb gewordenes Prachtgewächs mit wenig Aufwand und sehr geringen Energiekosten beleuchten.
Robuste Rosen
Die eingangs erwähnten widrigen Umstände finden Pflanzen im Garten auch nicht selten vor: Sie sollen als Monokulturen wachsen, ohne die ausgleichend wirkenden Pflanzenpartner, dadurch entwickeln sich spezialisierte Bodenorganismen in ungünstigen Mengen, die dann wiederum mit „chemischen Kampfstoffen“ angegangen werden, schon ist auch das nützliche Bodenleben im Garten Geschichte …
Auch hier gilt, dass zurück zu mehr Natürlichkeit der beste Weg zu entspanntem Gärtnern ist, im Fall der Rosen bedeutet dass, dass Sie sich von den hochgezüchteten Zuchtexemplaren verabschieden und sich für Wildrosen begeistern. Diese sind Rosen wachsen ohne jegliche gärtnerische Pflege bei uns, so benehmen sie sich auch in Ihrem Garten. 30 Arten mitteleuropäische Wildrosen würden gerne in unseren Gärten wachsen, ein reicher Schatz an Farben, Formen und Düften:
- Hundsrose, Rosa canina, die klassische „Hagebutte“, deren Hagebutten köstlich und gesund sind.
- Bereifte Rose, Rosa glauca (rubrifolia), dunkelrosa Blüten und bläulich bereifte Zweige.
- Alpenhagrose, Rosa pendulina, rosa bis tiefrote Blüten, zierlicher, überhängender Wuchs auch in schattigen Lagen.
- Bibernellrose, Rosa pimpinellifolia (spinosissima), meist weiße Blüten, schwarze Hagebutten, feine Fiederblätter.
- Weinrose, Rosa rubiginosa, rosa Blüten, orange Hagebutten, glänzende Blätter mit Apfelduft, klettert auch.
- Filzrose, Rosa tomentosa, weiße Blüten, samtig behaarte Blätter, kompakter Wuchs.
- Apfelrose, Rosa villosa (pomifera), mit die schönste Wildrose mit grossen Blüten und Hagebutten.
Robuste Balkonpflanzen
Beim Balkon geht es auch erst einmal um den naturnah gestalteten Balkon. Denn viele Balkone werden mit den üblichen Balkonpflanzen bepflanzt, die pünktlich im Frühjahr im Handel auftauchen. Das sind genau die Pflanzen, von denen Sie sich größtenteils gedanklich verabschieden sollten, wenn Sie robuste Pflanzen in Ihrer Umgebung haben möchten.
Sie können all die Pflanzen auf Ihrem Balkon anpflanzen, die oben als robuste Zimmerpflanzen empfohlen wurden, inklusive der Kräuter, und noch viel mehr. Wenn Sie bei jeder Pflanze, die Sie kaufen, nur wenige Dinge erkunden, kommen Sie immer zu robusten Pflanzen:
- Mehrjährig
- Winterhart (hier, nicht in Brasilien)
- Natürlich durch Selektion gezüchtet und nicht im Labor entstanden
- Natürlich vermehrt oder aus nicht chemisch behandelten Saatgut gezogen
- In der Nähe des Ortes aufgezogen, an dem sie wachsen sollen, nicht in Kenia
- Der Händler kann Sie umfassend über die Bedürfnisse der Pflanze informieren