Schon die Ureinwohner Südamerikas nutzten die Stevia-Pflanze zum Süßen ihrer Speisen und Getränke. Es sollte jedoch noch bis 1899 dauern, bis die krautige Staude mit dem botanischen Namen Stevia rebaudiana wissenschaftlich beschrieben wurde und allmählich in Europa bekannt wurde, auch unter der Bezeichnung Süßkraut oder Honigkraut. Dabei ist die Steviapflanze ein wahres Wunder der Natur, denn die süßen Inhaltsstoffe ihrer Blätter sind – je nach Verarbeitung – bis zu 300 mal süßer als Zucker, haben keine Kalorien und verhindern sogar die Entstehung von Karies. Angesichts dieser Vorzüge verwundert es wenig, dass die Stevia rebaudiana auch in den privaten Gärten Einzug gehalten hat. Da die Staude nicht winterhart ist, wird sie im Freiland als einjährige Pflanze kultiviert. Wer sie im Blumentopf auf der Fensterbank, der Terrasse oder dem Balkon züchtet, kann sie in frostfreier Umgebung überwintern lassen und kommt mehrere Jahre in den Genuss ihrer gesunden Süßkraft.
Pflege
Von den 234 Arten der Pflanzengattung Stevia ist nur die Stevia rebaudiana in der Lage, den natürlichen Süßstoff, auch Steviosid genannt, hervorzubringen.
Der Gartenfreund hat bei der Kultivierung die Wahl, die im Fachhandel angebotenen Jungpflanzen zu erwerben oder das Süßkraut aus Samen selbst heranzuzüchten. Die folgenden Pflegehinweise sollten dabei beherzigt werden:
- Sonniger, warmer und windgeschützter Standort.
- Topfgröße maximal 30 cm mit Drainage.
- Humoses, durchlässiges Substrat.
- Substrat mit Bims oder Sand strecken.
- Mäßig aber regelmäßig gießen.
- Kurzzeitige Trockenheit schadet der Stevia-Pflanze nicht
- Bildung von Staunässe unbedingt vermeiden.
- Ab und zu etwas Kräuterdünger verabreichen.
- Triebspitzen abknipsen für verzweigteren Wuchs.
Im Freiland gelten diese Pflegetipps ebenfalls, wobei das Süßkraut im Beet in der Regel üppiger gedeiht, als im Topf. Der Pflanzabstand beträgt 30 cm bis 50 cm. Allerdings hat das wärmeliebende Gewächs keine Chance, auch nur eine einzige Frostnacht zu überleben. Daher tendiert der Großteil der Hobbygärtner zur Topfhaltung des Süßkrauts.
Überwintern
In ihrer natürlichen, subtropischen Umgebung ist die Stevia rebaudiana 5 bis 6 Jahre lang nutzbar. Dies gelingt in den hiesigen Regionen zwar nicht im Freiland; wer die folgenden Empfehlungen zum Überwintern befolgt, hat trotzdem beste Chancen, ebenfalls mehrere Jahre lang seine Freude an der Staude zu haben.
Im Topf kann man die Stevia-Pflanze nach den Eisheiligen auf den Balkon oder die Terrasse stellen, denn ihre weißen Blütenstände während des Sommers wirken überaus dekorativ. Wenn der Winter naht, wird die Pflanze bis auf 5 cm zurückgeschnitten und in einen frostfreien Raum gebracht, in dem die Temperatur nicht unter 2° Celsius fällt. Während der Ruhepause benötigt die Stevia nur so viel Wasser, dass der Wurzelstock nicht vertrocknet. Da sie zudem nur wenig Licht benötigt, ist auch ein Kellerraum als Winterquartier geeignet. Ab März holt der erfahrene Hobbygärtner sie wieder ans Licht und stellt sie an ein helles Fenster, das nicht unter direkte Sonneneinstrahlung gerät. Dann wird gleichzeitig die Wasserdosis etwas erhöht und etwas Dünger verabreicht, denn die Stevia rebaudiana beginnt, neue Triebe und Knospen zu bilden und benötigt nun neue Energie.
Zwingend ist diese Winterpause allerdings nicht. Wer über einen sonnigen Wintergarten oder ein beheiztes Gewächshaus verfügt, in denen eine durchschnittliche Temperatur von 18° Celsius herrscht, hat auch während der kalten Jahreszeit eine grüne Pflanze, deren süße Blätter man ernten kann. Zu bedenken ist allerdings, dass die Stevia-Pflanze dann sehr viel anfälliger für Schädlinge und Krankheiten ist. Darüber hinaus beginnt sie sofort zu vergeilen, sollte sie keine ausreichende Menge an Licht erhalten.
Ernte und Verarbeitung
Ab September können die Blätter des Honigkrauts geerntet werden. Dabei werden zuerst die älteren Blätter abgezupft, weil diese über den höchsten Gehalt an Steviosid verfügen. Hinsichtlich der Verwertung der Blätter stehen unterschiedliche Verfahrensweisen zur Auswahl:
Frische Blätter verarbeiten
Da sie eine Erhitzung bis 200° Celsius vertragen, werden die frisch geernteten Blätter der Stevia-Pflanze gerne für das Süßen von Heißgetränken genutzt, wie Tee oder Kaffee. Aufgrund der hohen Konzentration des natürlichen Süßstoffes in der Pflanze, ist die Dosierung etwas knifflig. Daher sind eigene Versuche und Verkostungen unverzichtbar. Als Faustregel gilt, dass für eine Kanne Tee 5 bis 6 Süßkrautblätter ausreichen, um einen angenehmes Aroma zu erzielen. Fein zerhackt versüßen sie Pudding, Salate und Fruchtsoßen.
Getrocknete Blätter
Da die Blätter im getrockneten Zustand sehr viel länger haltbar sind, bevorzugen die meisten Hobbygärtner diese Methode der Verarbeitung. Zu diesem Zweck zieht man sie einfach mithilfe einer Nadel auf eine Schnur und hängt sie an einem trockenen, warmen, sonnengeschützten Ort auf. Es dauert zwar mehrere Wochen, bis die Pflanzenteile getrocknet sind. Werden sie anschließend jedoch in einem lichtgeschützten Gefäß aufbewahrt, können sie über viele Monate hinweg verwendet werden. In einem Mörser zu Pulver verarbeitet, ersetzen sie in zahlreichen bekannten Rezepten den Zucker. Dabei sollte stets im Hinterkopf behalten werden, dass das Pulver bei einem deutlich geringeren Volumen eine sehr viel höhere Konzentration aufweist. Daher besteht gerade in der Anfangszeit die Gefahr von Überdosierungen, die statt eines süßen Gaumenerlebnisses, einen bitteren Geschmack nach sich ziehen.
Zum besseren Verständnis: 1 Teelöffel des Stevia-Pulvers entspricht 2 Tassen Zucker. Mittlerweile stehen in den verschiedensten Foren Rezepte in Hülle und Fülle zur Verfügung, die bereits ausgiebig getestet wurden.
Flüssig-Extrakt
Die Dosierung des natürlichen Süßstoffes gelingt einfacher, wenn er in Form flüssigen Extraktes zur Verfügung steht. Dieses kann der Gartenfreund selbst herstellen. Benötigt werden:
- 1 Esslöffel Stevia-Pulver bzw. 7 Gramm getrocknete Blätter
- 3 Esslöffel oder 200 ml heißes Wasser
- 1 kleine Flasche mit Pipette
Die Zutaten kocht man etwa 2 Minuten, durchsiebt sie, füllt sie in die Flasche und schüttelt kräftig durch. Wird die Mischung im Kühlschrank aufbewahrt, hält sie auch ohne die Zugabe von Konservierungsstoffen etliche Wochen. Für die Dosierung gilt, dass 1 Spritzer der Süßkraft eines Stücks Würfelzucker entspricht.
Vermehren
Wer einmal Gefallen gefunden hat an den süßen, kalorienfreien Vorteilen der Stevia-Pflanze, wird seinen Bestand vermehren wollen. Es ist nicht erforderlich, neue Pflanzen im Fachhandel zu erwerben, denn die Vermehrung ist nicht schwer. Drei Verfahrensweisen haben sich bewährt:
Anzucht aus Samen
Eine Pflanzschale wird mit nährstoffarmer Anzuchterde gefüllt, die idealerweise noch mit etwas Sand gemischt wurde, für eine möglichst hohe Durchlässigkeit. Darauf werden die Samen verteilt. Da es sich bei Stevia-Samen um Lichtkeimer handelt, drückt man sie nur leicht an, aber nicht mit dem Substrat bedeckt. Anschließend mit Wasser aus einer Sprühflasche anfeuchten und mit Klarsichtfolie oder einer Glasplatte abdecken. Da die ideale Keimtemperatur bei 22° Celsius liegt, platziert man die Anzuchtschale an einem entsprechend warmem Standort, wo sich innerhalb von 10 Tagen die ersten Keimlinge zeigen.
Zwischendurch wird leicht gegossen und die Folie gelüftet, damit kein Schimmel entsteht. Nun kommt der Pikierstab zum Einsatz, um die jungen Pflänzchen zu vereinzeln, die man dann in eigene Töpfe setzt, die über einen Durchmesser von 16 cm bis 18 cm verfügen. Darin können sie nun in aller Ruhe wachsen und ihre Speicherwurzeln entwickeln. Da die Stevia-Pflanze zwar eine leicht feuchte Umgebung schätzt, bei Staunässe aber zur bakteriellen Welke mit tödlichem Ende neigt, ist es sehr wichtig, dass die Töpfe über ein Ablaufloch für überschüssiges Gießwasser verfügen. Um ganz sicher zu gehen, sollte man darüber eine Drainage anlegen aus Lavagranulat, Perlite, Blähton oder zerstoßenen Tonscherben.
Vermehrung mit Stecklingen
Hat das Süßkraut kräftige Triebe entwickelt, eignen sich diese ausgezeichnet für die Vermehrung. Ein etwa 10 cm bis 15 cm langer Trieb wird einschließlich der Blätter mit einem scharfen Messer von der Mutterpflanze abgeschnitten. Im unteren Teil entfernt man die Blätter, im oberen Teil halbiert man sie, damit der Steckling seine Energie in die Entwicklung der Wurzeln steckt. Der Ableger wird nun in ein Glas Wasser gestellt, wo er innerhalb weniger Tage die ersten zarten Wurzeln entwickelt. Anschließend wird er in einen Topf mit durchlässigem und nährstoffreichem Substrat gepflanzt, wo sich innerhalb weniger Wochen eine Jungpflanze entwickelt. Ein warmer, sonniger bis halbschattiger und windgeschützter Standort ist natürlich auch in diesem Fall von essenzieller Bedeutung. Um ein üppiges und reich verzweigtes Wachstum zu forcieren, werden die ersten Triebe entspitzt.
Absenker
Die Vermehrung der Stevia-Pflanze mithilfe von Absenkern bietet sich vor allem im Rahmen der Beet-Anpflanzung an. Besonders lange Triebe werden bis zum Boden hinab gezogen und dort in eine vorbereitete Rinne gelegt. Noch etwas Erde darüber streuen und leicht angießen, dann werden sich – abhängig von der Witterung – am Absenker innerhalb kurzer Zeit neue Wurzeln bilden. Sollte sich der ausgewählte Trieb als zu widerspenstig erweisen und auf dem Boden nicht halten, greifen findige Hobbygärtner zu Heringen aus ihrer Campingausrüstung und fixieren so den Absenker auf dem Boden. Wichtig zu beachten ist, dass die Spitze des Triebes aus der Erde herausschaut. Sobald die neuen Wurzeln kräftig genug erscheinen, wird der Absenker von der Mutterpflanze abgeschnitten und an seinem neuen Standort eingepflanzt.
Stevia-Pflanzen ausschließlich Ziergewächse
Seit Jahrhunderten nutzen die Ureinwohner Paraguays und Brasiliens die Blätter der Stevia-Pflanzen, um ihren Tee und ihre Speisen zu süßen. Seit 1954 sind in Japan Produkte, in denen Bestandteile der Stevia rebaudiana verarbeitet sind, ein fester Bestandteil des täglichen Lebens. Selbst Coca Cola wird dort mit dem kalorienfreien und zahnschonenden Zuckerersatz gesüßt. Nur in der EU konnte man sich bislang nur dazu durchringen, seit Dezember 2011 hochreine Extrakte des Honigkrauts als Zusatzstoff für Lebensmittel zuzulassen. Daher werden Steviapflanzen im Fachhandel ausschließlich als Zierpflanzen angeboten und verkauft. Es ist allerdings zu erwarten, dass der ‚Zuckerlobby‘ angesichts der weltweiten, unbedenklichen Anwendung von Stevia rebaudiana als Süßmittel in naher Zukunft die Argumente ausgehen werden.
Fazit
Honigkraut liefert das natürliche Süßungsmittel für unbeschwerten Genuss. Die Stevia-Pflanze ist nicht nur anspruchslos in der Pflege und erfreut den Betrachter mit herrlichen, weißen Blütendolden, sondern sie liefert darüber hinaus einen natürlichen Süßstoff, der weder der Figur noch den Zähnen schadet. Bereits seit Jahrhunderten kennen die Ureinwohner Südamerikas den verführerischen Geschmack der Stevia-Blätter. In Japan sind mit Stevia gesüßte Speisen und Getränke ein fester Bestandteil des täglichen Lebens. Findige Gartenfreunde in den hiesigen Regionen erwerben die Jungpflanzen und Samen als Ziergewächse, ernten und verarbeiten die Blätter dann für die Verwendung in der heimischen Küche. Lediglich hinsichtlich der Dosierung sind Erfahrung und Fingerspitzengefühl gefragt, denn die süßende Wirkung ist bedeutend intensiver, als die des herkömmlichen Zuckers. Man darf gespannt sein, wie sich die Lage auf dem europäischen Kontinent in dieser Frage weiter entwickelt, denn erste Schlagzeilen kündigen bereits eine umfassende Marktreife für 2016 an.