Erfreulicherweise nehmen viele Gärtner das Insektensterben zur Kenntnis und wirken ihm mit zum Beispiel mit Insektenhotels im eigenen Garten entgegen. Von solchen Initiativen profitieren nicht allein die Tiere, auch der Pfleger kann einer Aufgabe nachgehen und hat Freude an der Beobachtung des regen Treibens. Zumeist bekommt er von der Brut allerdings nicht viel mit. Umso interessanter ist es, wenn die geschlüpften Wespen ihr Nest verlassen. Wer den genauen Zeitpunkt der Nestflucht verschiedener Arten kennt, wird das Schauspiel sicher nicht verpassen. Stellt sich nur die Frage, ob der Gärtner das Verlassen auch beschleunigen kann.
Das Wespenjahr im Überblick
Warum verlassen Wespen ihr Zuhause überhaupt? Dieses Verhalten wird deutlich, wenn sich der Gärtner mit dem Lebenszyklus der Insekten auseinander setzt:
Das Verlassen des Nestes stellt das Ende des Lebens einer Wespe dar. In Europa überleben die Tiere den kalten Winter nicht. Eine Ausnahme bilden lediglich die Jungköniginnen, wenn auch schätzungsweise ein Großteil von ihnen den eisigen Temperaturen zum Opfer fällt. Diese lassen sich noch im Herbst von den Männchen begatten. Während sie in einer Starre überwintern, lagern sie die Samen in körpereigenen Taschen.
Wussten Sie schon, dass
… Solitärwespen als sogenannte Ruhelarve überwintern. Bei schlechten Klimabedingungen verharren sie sogar ein ganzes Jahr lang in diesem Zustand. Daher kann es passieren, dass sie ihr Nest auch zur gewohnten Zeit nicht verlassen.
Steigen die Temperaturen im darauffolgenden Frühjahr, beginnen die Jungköniginnen mit dem Nestbau.
Inzwischen sind die Jungköniginnen zu adulten Wespen herangewachsen, die in der Lage sind, ein eigenes Volk zu gründen. Dafür legen sie die überwinterten Eier in den Nestzellen ab.
Auch um die Versorgung kümmern sich die Königinnen im April und Mai noch eigenständig. Beutetiere wie Spinnen und andere Insekten lähmen sie mit ihrem Gift und legen sie im Nest ab. Die später schlüpfende Brut ernährt sich von den toten Tieren. Schnell reifen diese zu Arbeiterinnen heran. Die Königin kann sich nun ausschließlich auf das Eier legen konzentrieren.
Im Juni herrscht zum ersten Mal reges Treiben im Garten. Zu dieser Zeit sammeln die Arbeiterinnen Nahrung, um die nachfolgende Generation zu versorgen. Im August beginnt schließlich die Drohnenzucht sowie die Anzucht neuer Jungköniginnen, die das Fortbestehen im nächsten Jahr sichern. Denn nur wenige Wochen später stirbt die alte Königin. Zu diesem Zeitpunkt im Spätsommer kann ein Wespenvolk bis zu 1200 Insekten umfassen. Verlieren die Tiere jedoch ihre Königin, gerät das geregelte Zusammenleben durcheinander. Da ausschließlich das Oberhaupt Eier legt, fehlt es den Arbeiterinnen an Brut, die sie versorgen können. Weil sie keine Aufgabe mehr besitzen, schwärmen auch sie aus. Jetzt sind die Wespen äußerst aggressiv. Immerhin sind sie auf sich allein gestellt, was eine große Umstellung bedeutet.
Haben Wespen ihr Nest einmal verlassen, kehren sie im folgenden Jahr nicht wieder zurück. Befindet sich der Bau an einer ungünstigen Stelle, darf der Gärtner die verlassene Stätte nun ohne Bedenken beseitigen.
Unterschiede aufgrund verschiedener Arten
Um den richtigen Termin zur Beseitigung eines Wespennests abzupassen, ist jedoch wichtig zu wissen, um welche Art von Wespen es sich handelt. Befinden sich noch Insekten in der Brutstätte, drohen einerseits schmerzhafte Stiche, zum anderen macht sich der Gärtner strafbar. In Europa existieren zwei Arten:
- früh auflösende Wespenvölker
- spät auflösender Wespenvölker
Zum einen entscheidet die Gattung der Tiere, wann sie ihrem Zuhause den Rücken kehren. Darüber spielen auch die Temperaturen eine wichtige Rolle. Ein früher Herbsteinbruch kann den Ausflug gegebenenfalls beschleunigen. Da sich in Gebirgsnähe früher Nachtfröste bilden als im Flachland, schwärmen die Insekten in Süddeutschland in der Regel früher aus.
Früh auflösende Wespenarten
Zu den früh auflösenden Völkern zählen insgesamt zwölf heimische Gattungen:
- Berg-Feldwespe (Polistes biglumis)
- Berg-Feldwespen-Kuckuckswespe (Polistes atrimandibularis)
- Falsche Kuckuckswespe (Dolichovespula adulterina)
- Haus-Feldwespe (Polistes dominula)
- Heide-Feldwespe (Polistes nimpha)
- Mittlere Wespe (Dolichovespula media)
- Norwegische Wespe (Dolichovespula norwegica)
- Österreichische Kuckuckswespe (Vespula austriaca)
- Rote Wespe (Vespula rufa)
- Sächsische Wespe (Dolichovespula saxonica)
- Waldwespe (Dolichovespula sylvestris)
- Zierliche Feldwespe (Polistes bischoffi)
Früh auflösende Wespenarten mögen keine kalten Temperaturen. Bereits Mitte August verlässt die Königin ihren Staat. Damit die Begattung noch rechtzeitig vor Einsetzen der ersten Fröste stattfindet, folgen die herangezogenen Jungköniginnen ihrem Beispiel in der ersten Septemberwoche. Da die Arbeiterinnen nun keine Brut mehr verpflegen müssen, schwärmen sie etwa Mitte September aus.
Spät auflösende Wespenarten
Zu den spät auflösenden Völkern zählen hierzulande sehr viel weniger Arten, nämlich die vier folgenden:
- Asiatische Hornisse (Vespa velutina var. nigrithorax)
- Deutsche Wespe (Vespula germanica)
- Gemeine Wespe (Vespula vulgaris)
- Hornisse (Vespa crabro)
Wenn auch sich diese Wespenvölker im Vergleich zu den frühauflösenden Gattungen in der Minderheit befinden, nehmen Menschen sie intensiver wahr. Das liegt daran, dass sich Deutsche und Gemeine Wespen neben Nektar auch für Lebensmittel interessieren und sich ihr Lebensraum daher mit dem des Menschen überschneidet. Gegen kalte Temperaturen sind sie relativ resistent. Somit dauert es bisweilen bis in den Oktober, ehe die Königin ihren Staat verlässt. Etwa zwei Wochen später folgen die Jungköniginnen.
Hinweis: Von den zahlreichen in Europa lebenden Wespenarten sind die meisten entgegen der Annahme vieler Menschen friedlich. Lediglich die Gemeine Wespe und die Deutsche Wespe fliegen neben Blumen auch Lebensmittel wie Fleisch und reifes Obst an. Dennoch geht auch von diesen Sorten kaum eine Gefahr aus. Die Insekten stechen nur, wenn sie sich bedroht fühlen.
Wespen aus dem Nest locken?
Befindet sich das Wespennest an einer sehr ungünstigen Stelle, beispielsweise direkt an einem Fenster oder über einem Hauseingang, fragt sich so manch ein Gärtner, ob er den Ausflug beschleunigen kann. Aus dem obigen Text geht hervor, dass sich spät auflösende Völker kaum aus den Nestern locken lassen, da ihnen kalte Temperaturen nichts anhaben können. Früh auflösende Völker reagieren zwar auf einen plötzlichen Kälteeinbruch, jedoch ist dieser recht schwierig vorzutäuschen. Zum Wohl der Tiere, sollte der Gärtner nicht versuchen, den Ausflug zu beschleunigen. Besonders sei darauf hingewiesen, dass ein abrupter Temperaturumschwung den Biorhythmus der Insekten durcheinander bringt. Hat dieser nicht einmal natürliche Ursachen, sondern ist durch den bewussten Eingriff des Menschen hervorgerufen, finden sich die Tiere in ihrer Situation womöglich nicht zurecht. Es kommt zu einem erhöhten Wespensterben. Angesichts der Nützlichkeit der Insekten wäre das ein großer Verlust für die Natur.
Niemals sollte der Gärtner versuchen, die Tiere mit Feuer oder durch Erschütterungen aus dem Nest zu locken. Auf solche Maßnahmen reagieren die Insekten äußerst aggressiv. Letztendlich werden die Wespen ihr Nest nach erfolgreicher Verteidigung trotzdem nicht verlassen.